Daten in der Lieferkette nutzen und mit KI optimieren
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen zunehmend unter Druck, ihre Lieferketten effizient, flexibel und zukunftssicher zu gestalten. Ein Schlüssel dazu kann in der Datenverarbeitung und der Künstlichen Intelligenz (KI) liegen.
Daten sind im Grunde lediglich Beschreibungen von Entitäten wie Produkten, Kunden, Ereignissen und Transaktionen, die erfasst, klassifiziert und gespeichert werden. Um aus Daten Informationen zu gewinnen, müssen diese verarbeitet, organisiert und in einen logischen Kontext gesetzt werden. Dadurch lassen sich wertvolle Einblicke in Prozesse gewinnen und fundierte Entscheidungen treffen.
Mithilfe moderner Analysewerkzeuge und strukturierter Ansätze wie dem Aufgabenmodell und dem CRISP-DM-Modell können KMU ihre Lieferketten transformieren und ihre Prozesse optimieren.
Was ist eine Lieferkette und warum sind Daten so wichtig?
Nach Werner (2013) umfasst eine Lieferkette alle Schritte, die erforderlich sind, um ein Produkt oder eine Dienstleistung von der Rohstoffbeschaffung bis zum Kunden zu bringen. Sie besteht aus:
- Physischer Fluss: Die Bewegung von Waren und Materialien.
- Informationsfluss: Daten über Bestellungen, Lagerbestände und Lieferungen.
- Finanzfluss: Zahlungs- und Kostenströme.
Diese drei Ebenen sind gleichermaßen wichtig und unterstützen strategische Entscheidungen. Unternehmen können die Daten nutzen, um Markttrends zu verstehen, Kundenbedürfnisse vorherzusagen und Lieferengpässe frühzeitig zu erkennen.
Herausforderungen für KMU
Viele KMU nutzen Software wie ERP- oder PPS-Systeme, um interne Prozesse zu steuern. Diese Systeme sind jedoch meist nicht darauf ausgelegt, komplexe Datenanalysen durchzuführen oder Einblicke in größere Zusammenhänge zu liefern.
Hinzu kommt, dass die in Lieferkettenprozessen anfallenden Daten oft unstrukturiert und in verschiedenen Systemen verteilt vorliegen. Dies macht die Analyse zeitaufwendig und anfällig für Fehler. Um Daten entlang der Lieferkette effektiv zu nutzen, benötigen KMU eine strukturierte Herangehensweise – und genau hier setzt das Aufgabenmodell an.
Das Aufgabenmodell: Ein Leitfaden für die Einführung von Softwarelösungen
Nach Schulte (2017) ist das Aufgabenmodell, entwickelt vom Fraunhofer-Institut in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, ein hilfreiches Instrument für KMU, um Anforderungen an neue Software oder KI-Analysetools klar zu definieren und deren Nutzen zu bewerten. Es unterteilt die Lieferkette in drei Ebenen:
Abbildung 1: Aufgabenmodell, in Anlehnung an Schulte (2017), S. 790.
- Gestaltungsebene
Diese Ebene betrifft langfristige Entscheidungen wie die Auswahl von Produktionsstandorten oder die Zusammenarbeit mit Lieferanten. Für KMU geht es darum, eine stabile und zukunftsfähige Struktur für ihre Lieferkette zu schaffen. - Planungsebene
Hier steht die Optimierung von Ressourcen und Kapazitäten im Mittelpunkt. Beispiele sind die Verbesserung von Bedarfsprognosen oder die Minimierung von Lagerbeständen. Datenanalysen helfen, diese Prozesse präzise zu steuern. - Ausführungsebene
Auf dieser operativen Ebene werden Bestellprozesse automatisiert, Transportwege optimiert und Retouren effizient abgewickelt. Ziel ist es, Fehler zu vermeiden und Kosten zu senken.
Das Modell hilft KMU, den Nutzen neuer Tools zu bewerten und sicherzustellen, dass diese sowohl wirtschaftlich sinnvoll als auch technisch geeignet sind. Nach Koch (2012) sollten sich KMU folgende Fragen vor der Einführung einer Software stellen:
- Welchen Mehrwert bietet das System für das Unternehmen?
- Ist das System in der Lage, die relevanten Prozesse effektiv zu unterstützen?
- Ist die Einführung des Systems aus wirtschaftlicher Sicht für das Unternehmen sinnvoll?
Von der Datenflut zur Erkenntnis: Das CRISP-DM-Modell
Die gezielte Analyse, auch Data Mining genannt, ermöglicht es, aus großen Datenmengen Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Mithilfe von KI-Tools oder Software lassen sich diese Erkenntnisse automatisiert gewinnen und für strategische Entscheidungen nutzen. Hier setzt das CRISP-DM-Modell an. Das Cross-Industry Standard Process for Data Mining (CRISP-DM) ist ein branchenübergreifender Standard, der Unternehmen dabei unterstützt, aus Daten verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Es gliedert den Prozess in sechs leicht nachvollziehbare Schritte:
Abbildung 2: CRISP Iterativer DM-Prozess, in Anlehnung an Chapman et al. (2000), S. 13.
1. Geschäftsverständnis (Business Understanding): Klärung der Geschäftsziele – Welche Fragen sollen durch die Datenanalyse beantwortet werden?
2. Datenverständnis (Data Understanding): Identifikation relevanter Daten und Bewertung ihrer Qualität.
3. Datenvorbereitung (Data Preparation): Bereinigung und Strukturierung der Daten für die Analyse.
4. Modellierung (Modelling): Auswahl und Anwendung von Software oder Algorithmen, um Muster zu erkennen.
5. Bewertung (Evaluation): Überprüfung der Ergebnisse – Liefern sie die gewünschten Einblicke?
6. Einsatz (Deployment): Integration der Ergebnisse in die operativen Prozesse, z. B. zur Optimierung der Lagerbestände oder Lieferzeiten.
Das CRISP-DM-Modell bietet KMU eine strukturierte Herangehensweise, um die Auswahl und Implementierung von Softwarelösungen oder KI-Tools gezielt und effizient zu gestalten. Zu Beginn hilft es, geschäftliche Anforderungen und Ziele klar zu definieren, wodurch sichergestellt wird, dass nur Lösungen evaluiert werden, die den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen. Durch die Analyse und Aufbereitung der vorhandenen Daten wird frühzeitig geprüft, ob die Datenbasis ausreichend ist oder ob Datenlücken bestehen, was Fehlkäufe vermeidet.
In der Modellierungsphase können verschiedene Softwarelösungen oder KI-Algorithmen getestet und deren Eignung für spezifische Prozesse bewertet werden, während die Evaluationsphase sicherstellt, dass die ausgewählte Software auch tatsächlich die gewünschten Ergebnisse liefert und sich in bestehende Abläufe integrieren lässt.
Schließlich unterstützt CRISP-DM eine schrittweise und kontrollierte Einführung, wodurch Anpassungen möglich sind und Betriebsunterbrechungen minimiert werden. So profitieren KMU von einer klaren Struktur, die Zeit, Ressourcen und Kosten spart, während die Erfolgswahrscheinlichkeit der Implementierung maximiert wird.
Quellen
Literatur:
Chapman, P., Clinton, J., Kerber, R., Khabaza, T., Reinartz, T., Shearer, C. und Wirth, R. (2000): CRISP-DM 1.0: Step-by-step data mining guide. CRISP-DM Consortium. Verfügbar unter: https://mineracaodedados.wordpress.com/wp-content/uploads/2012/12/crisp-dm-1-0.pdf [Zugriff am: 15.11.2024].
Koch, S. (2012). Supply Chain Management. In Logistik (S. 256). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-15289-4_4
Schulte, C. (2017). Logistik: Wege zur Optimierung der Supply Chain (7. Aufl.). Verlag Franz Vahlen GmbH.
Werner, H. (2020). Supply Chain Management: Grundlagen, Strategien, Instrumente und Controlling. Springer Gabler Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32429-2
Fazit
Die Vorteile für KMU
Die Integration von Datenanalyse und KI in die Lieferkette bietet KMU zahlreiche Vorteile:
- Bessere Bedarfsprognosen: KI hilft, Kundenverhalten und Markttrends präzise vorherzusagen.
- Kostensenkung: Automatisierte Prozesse reduzieren Fehler und steigern die Effizienz.
- Kürzere Lieferzeiten: Durch optimierte Abläufe gelangen Waren schneller zum Kunden.
- Wettbewerbsvorteil: Unternehmen können schneller auf Marktveränderungen reagieren.
Der Weg dahin erfordert eine strukturierte Herangehensweise, eine klare Definition der Ziele und die sorgfältige Auswahl und Erprobung geeigneter Softwarelösungen. Das Aufgabenmodell und das CRISP-DM-Modell bieten KMU eine klare Struktur, um Softwarelösungen erfolgreich in ihre Lieferketten zu integrieren.
Das Aufgabenmodell hilft, die Anforderungen an neue Tools präzise zu definieren und sicherzustellen, dass sie den spezifischen Bedürfnissen entsprechen. Das CRISP-DM-Modell ermöglicht eine systematische Datenanalyse und sorgt dafür, dass gewonnene Erkenntnisse effektiv genutzt werden.
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