Nachhaltigkeit für kleine und mittlere Unternehmen (KMU): Praktische Tipps und Strategien
In einer Zeit, in der Ressourcen knapp werden und der Klimawandel zu einer immer drängenderen Herausforderung wird, rückt das Thema Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus der Unternehmensführung und erfordert von Ihnen, sich nachhaltiger auszurichten. Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen und die steigende gesellschaftliche Sensibilisierung für Umweltfragen treiben diesen Wandel voran [1]. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können sich diesem nicht entziehen, da sowohl die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, als auch die Anforderungen ihrer Kunden eine immer bedeutendere Rolle spielen.
Die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle und -prozesse wird somit sowohl ökonomisch als auch ökologisch und sozial zunehmend unerlässlich. Zusätzlich zu diesen Faktoren zwingen auch rechtliche Anforderungen Unternehmen dazu, nachhaltige Richtlinien und Verfahren zu implementieren, um Risiken zu minimieren und langfristige Konformität mit Gesetzen zu gewährleisten.
Dieser Blogeintrag ist eine kompakte Sammlung praktischer Tipps und Strategien, die Ihnen helfen sollen, nachhaltige Praktiken in Ihren Betrieben einzuführen. Außerdem wollen wir Ihnen zeigen, dass Sie mit Ihren Vorbehalten zwar nicht allein sind, es aber auch Lösungen gibt.
Abbildung 1: Triple Bottom Line (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an [3])
Was ist Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit muss als Konzept verstanden werden, da es schwerfällt, explizite Kriterien für die vielen Anwendungsfälle zu finden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beschreibt in diesem Zusammenhang, dass „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten“ [2].
In den vom BMZ angesprochenen Dimensionen lässt sich sehr gut ausdrücken, wie übergreifend das Themas Nachhaltigkeit ist. Das sogenannte Triple Bottom Line-Modell verdeutlicht diese Wechselwirkungen.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit für KMU
In einer zunehmend globalisierten Welt wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit für Unternehmen aller Größenordnungen immer deutlicher. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen eine entscheidende Rolle im Streben nach einer nachhaltigeren Zukunft, denn sie beschäftigen rund die Hälfte aller Arbeitnehmer und bilden ca. 70 % aller Auszubildenden aus [4].
Meistens werden in Bezug auf das Leitbild des nachhaltigen Wirtschaftens Großunternehmen erwähnt. Für diese ist es mittlerweile nahezu selbstverständlich, ein Nachhaltigkeitsmanagement zu integrieren, auf entsprechende Maßnahmen zu verweisen und Nachhaltigkeitsberichte ihrer Unternehmen zu veröffentlichen. Im Gegensatz dazu gibt es weiterhin jedoch nur wenige Informationen und Berichte zur Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für kleine und mittelständische Unternehmen, obwohl diese über 99 % aller Unternehmen in Deutschland ausmachen. [5]
Nachhaltigkeit ist kein bloßer Trend, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie, der die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sowie den Unternehmenserfolg und damit die Zukunftsfähigkeit beeinflusst. Für KMU bietet die Integration nachhaltiger Praktiken zahlreiche Chancen, darunter:
- Verbessertes Image und Kundenbindung: Verbraucher orientieren sich zunehmend nachhaltig und bevorzugen Unternehmen, die umweltbewusst und sozial verantwortlich handeln [6, 7].
- Kosteneinsparungen: Durch die Implementierung energieeffizienter Maßnahmen oder die Reduzierung von Abfall können Unternehmen langfristig Kosten senken [8].
- Zugang zu neuen Märkten: Nachhaltigkeit wird von vielen Märkten und Branchen als Geschäftschance angesehen. Unternehmen, die nachhaltige Praktiken implementieren, können so – besonders durch Digitalisierung – Zugang zu neuen Kunden und Märkten erhalten [9].
- Klimaschutz: Durch die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und die Förderung erneuerbarer Energien leisten Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz [8].
Barrieren und Hindernisse
Es gibt in Deutschland viele Vorbehalte und große Skepsis gegenüber der Einführung nachhaltiger Praktiken. Diese Hindernisse führen zu einer zögerlichen Grundhaltung vieler Unternehmer:innen [5].
Weitere Hindernisse wie Zeitmangel, der fehlende Überblick über mögliche oder notwendige Maßnahmen oder der Mangel an qualifiziertem Personal und Standards erschweren es, adäquate nachhaltige Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Die Einführung nachhaltiger Praktiken erfordert außerdem Investitionen, zu denen KMUs häufig nicht bereit bzw. in der Lage sind [10].
Praktische Umsetzungstipps für KMU
Für die Umsetzung von Nachhaltigkeit wird in der Regel das in der Einleitung erwähnte Triple Bottom Line-Modell zu Rate gezogen, welches unter nachhaltiger Entwicklung nicht nur den Umwelt- und Ressourcenschutz versteht, sondern auch gleichbedeutend die Realisierung sozialer und ökonomischer Ziele einbezieht [11]. Alternative Ansätze nutzen das Schema der Nachhaltigkeitsdimensionen, welches die Beziehungen der Dimensionen (u.a. sozial, ökologisch, ökonomisch, ethisch, digital, institutionell) hervorhebt und verdeutlichen soll, wie sie miteinander zusammenhängen. Dadurch kann verhindert werden, dass ökonomische Interessen gegen den notwendigen Umweltschutz rhetorisch ausgespielt werden [5].
Für Sie als Unternehmen bestehen verschiedenste Möglichkeiten, Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen zu integrieren. Einige der im Folgenden genannten Maßnahmen werden in weiteren Blogbeiträgen noch näher behandelt.
1. Energieeffizienz steigern: Unternehmen können ihren Energieverbrauch durch den Einsatz energieeffizienter Geräte, die Optimierung von Beleuchtungssystemen und die Verbesserung der Gebäudeisolierung senken. Dies reduziert nicht nur Kosten, sondern auch den ökologischen Fußabdruck des Unternehmens, der in Energiebilanzen erfasst werden kann. [12]
2. Prinzipien der Kreislaufwirtschaft realisieren und Abfallmanagement optimieren: In einer Kreislaufwirtschaft geht es darum, das Produktleben durch ein nachhaltiges Produktdesign, Reparaturen, Wiederverwendung, Wiederaufbereitung und Recycling zu verlängern. Unternehmen können dadurch Ressourcen schonen, neue serviceorientierte Geschäftsmodelle erschließen und ihre Rohmaterialabhängigkeit reduzieren. Indem bspw. ausrangierte Produkte, Komponenten und Materialien als Ressourcen genutzt werden, können Abfallströme zu Umsatzströmen werden [13, 14]. Die Einführung eines effektiven Abfallmanagementsystems kann Unternehmen zudem dabei helfen, Abfälle zu reduzieren und wiederzuverwerten. Dies kann sowohl die Umweltbelastung verringern als auch die Entsorgungskosten senken. Ansatzpunkt dafür ist bereits das Produktdesign, bei welchem auf die Zerlegbarkeit und die Verwendung nachhaltiger, lokaler Rohstoffe geachtet wird. [15]
3. Lieferketten nachhaltig gestalten: Die Erfassung und Einteilung der unternehmenseigenen Emissionen in Scope 1, Scope 2 sowie Scope 3-Emissionen entsprechend der verschiedenen Geltungsbereiche ist ein deutliches Signal für mehr Klimagerechtigkeit. Die eigene CO₂-Bilanzierung, das Erzeugen von Transparenz darüber und die nachhaltige Beschaffung über die eignen Unternehmensgrenzen hinweg bedeuten zwar einen Initialaufwand, sie sind aber entscheidend für die Erfassung der sozialen Verantwortung und die Verfolgung langfristiger Umweltziele. [16, 17] Nähere Informationen explizit zum Scope 3 Carbon Accounting könnten Sie in unserem interaktiven Leitfaden nachlesen.
4. Kollaborative Ansätze verfolgen: Kollaborative Ansätze sind eine Möglichkeit, knappe Ressourcen nicht mehr distributiv, sondern integrativ zu verteilen und Mehrwerte zu schaffen. Als technische Unterstützung von Kollaborationen dient hierbei u. a. die Digitalisierung, da sie verschiedene Akteure in einem digitalen Ökosystem vernetzt. [18]
5. Digitalisierung vorantreiben: Digitalisierung ist als Werkzeugkoffer zu begreifen, der es ermöglicht, Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Dazu zählen: das Bündeln von Wissen, zentrale Datenspeicherung, papierlose Abläufe sowie der Einsatz von KI bspw. in der Qualitätskontrolle oder dem Datenmanagement. [17]
6. Mitarbeitende für die Bedeutung von Nachhaltigkeit sensibilisieren: Mitarbeitende können häufig entscheidende Beiträge leisten, bspw. bei der konsequenten Umsetzung von Maßnahmen, ihrer Verbesserung oder sogar der Identifizierung von Mängeln [16].
7. Fördermöglichkeiten nutzen: Es gibt eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten für KMU, die nachhaltige Initiativen umsetzen möchten. Von staatlichen Zuschüssen bis hin zu Förderprogrammen von Nichtregierungsorganisationen gibt es viele Ressourcen, die Unternehmen dabei unterstützen können, die Kosten für die Implementierung nachhaltiger Praktiken zu decken. [19]
Quellen
Literatur:
[1] UN. 2020. Sustainable Development Goals. www.un.org/sustainabledevelopment/news/communications-material/, zuletzt geprüft am 12.04.2024.
[2] BMZ. 2024. Nachhaltigkeit (nachhaltige Entwicklung). https://www.bmz.de/de/service/lexikon/nachhaltigkeit-nachhaltige-entwicklung-14700.
[3] Carter, C. R. and Rogers, D. S. 2008. A framework of sustainable supply chain management: moving toward new theory. Int Jnl Phys Dist & Log Manage 38, 5, 360–387.
[4] IfM Bonn. 2024. Mittelstand im Überblick. https://www.ifm-bonn.org/statistiken/mittelstand-im-ueberblick/volkswirtschaftliche-bedeutung-der-kmu/deutschland, zuletzt geprüft am 20.03.2024.
[5] Mars, E. M., Ed. 2012. Global.patrioten. Begegnungen, Positionen und Impulse zu Klimagerechtigkeit, biologischer und kultureller Vielfalt. Oekom, München.
[6] Petzsche, T. and Theis, L. 2022. Mit Digitalisierung zu mehr Nachhaltigkeit im produzierenden Gewerbe. In Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Mittelstand-Digital Magazin. Sonderausgabe Nachhaltigkeit, Begleitforschung Mittelstand-Digital, Ed. Online verfügbar unter https://www.mittelstand-digital.de/MD/Redaktion/DE/Publikationen/Wissenschaft-trifft-Praxis/magazin-wissenschaft-trifft-praxis-sonderausgabe-Nachhaltigkeit-18.pdf?__blob=publicationFile&v=3, zuletzt geprüft am 19.04.2024.
[7] Grunwald, G. and Hennig, P. 2012. REACH und CSR. Mehr Reputation durch Nachhaltigkeit in kleinen und mittleren Unternehmen. Reihe: Marketing Bd. 57. Eul, Lohmar, Köln.
[8] World Economic Forum. 2020. The Future Of Nature And Business. New Nature Economy Report II. https://www.weforum.org/publications/new-nature-economy-report-ii-the-future-of-nature-and-business/, zuletzt geprüft am 12.04.2024.
[9] Scherf, C.-S., Brunn, C., Gensch, C.-O., and Köhler, A. R. 2021. Anreizsysteme für eine ökologisch nachhaltige Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
[10] Europäische Kommission. 2002. Europäische KMU und soziale und umweltbezogene Verantwortung. Beobachtungsnetz der europäischen KMU. Nr. 4.
[11] Rat von Sachverständigen für Umweltfragen. 1974-2002. Umweltgutachten. Schlußfolgerungen und Handlungsempfehlungen. Eine Information des Bundesumweltministeriums. [Verlag nicht ermittelbar], Berlin, Bonn.
[12] Hofmeister, S. 1998. Von der Abfallwirtschaft zur ökologischen Stoffwirtschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
[13] Europäisches Parlament. 2023. Circular economy: definition, importance and benefits. The circular economy: find out what it means, how it benefits you, the environment and our economy. www.europarl.europa.eu/topics/en/article/20151201STO05603, zuletzt geprüft am 12.04.2024.
[14] Giordano, V. and Fontaine, A. de. 2021. Die Vorteile der Kreislaufwirtschaft. https://www.springerprofessional.de/energie—nachhaltigkeit/entsorgung/die-vorteile-der-kreislaufwirtschaft/19138588, zuletzt geprüft am 28.05.2024.
[15] Büchl, R. and Tretter, M. 2020. Sustainable Waste Management – Potenziale einer innovativen Abfall- und Entsorgungswirtschaft. In CSR IN SDDEUTSCHLAND. Unternehmerischer erfolg und nachhaltigkeit im, A. Herzner and R. Schmidpeter, Eds. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. GABLER, [S.l.], 81–91. DOI=10.1007/978-3-662-61959-9_6.
[16] Kraft, M. H. G., Frank, E., and Podleisek, A. 2023. Carbon Management in KMU. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden.
[17] Begleitforschung Mittelstand-Digital (Hg.) (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Mittelstand-Digital Magazin. Sonderausgabe Nachhaltigkeit. Online verfügbar unter https://www.mittelstand-digital.de/MD/Redaktion/DE/Publikationen/Wissenschaft-trifft-Praxis/magazin-wissenschaft-trifft-praxis-sonderausgabe-Nachhaltigkeit-18.pdf?__blob=publicationFile&v=3, zuletzt geprüft am 19.04.2024.
[18] Schulze-Ehlers, B., Hoffmann, S., Siebert, H. F., Joerß, T., Risius, A., Akbar, P., Mai, R., Gassler, B., and Schlüter, T. 2018. Transparenz und Transformation in der regionalen Ernährungswirtschaft: Kollaborative Ansätze für mehr Nachhaltigkeit vom Rohstoff bis zum Endkonsumenten. Schlussbericht des Projekts TransKoll. Diskussionsbeitrag 1812. Göttingen: Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung (DARE).
[19] BMBF. 2024. KMU-innovativ: Ressourceneffizienz und Klimaschutz. www.foerderdatenbank.de/FDB/Content/DE/Foerderprogramm
Fazit
Nachhaltigkeit ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit für Unternehmen, um in einer sich ständig wandelnden Welt langfristig bestehen und erfolgreich sein zu können. Für KMU bietet die Integration nachhaltiger Praktiken eine Vielzahl von Vorteilen – von Ressourcen- und Kosteneinsparungen bis hin zu verbessertem Image und Zugang zu neuen Märkten. Auch Sie können praktische Tipps und Strategien zur Realisierung nachhaltiger Praktiken umsetzen und auf Erfahrungen erfolgreicher Unternehmen zurückgreifen. Damit kann Ihr Unternehmen einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz und zur Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft leisten.
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