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10 Entscheidungen und Schritte auf dem Weg zum Nachhaltigkeitsbericht


Der Klimawandel und die damit verbundene Umweltzerstörung stellen eine existenzielle Bedrohung für die Erde dar. Um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, hat das Europäische Parlament im Jahr 2019 mit dem Green Deal eine neue Wachstumsstrategie für die Europäischen Union (EU) verabschiedet. Dieser verpflichtet die Mitgliedsstaaten der EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, um damit die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden [1]. Ursächlich für den Klimawandel ist die Emission von Treibhausgasen [2], für dessen Ausstoß zu einem großen Aneil Unternehmen verantwortlich sind [3]. Mit einem Anteil von etwa 99 % der deutschen Unternehmen, haben kleine und mittlere Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Klimawandels [4].

Nachhaltigkeitsberichterstattung für kleine und mittlere Unternehmen

Nicht nur durch den oben genannten Einfluss wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU immer relevanter. Zum einen erwarten ihre Kunden und Kundinnen, dass die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der unternehmerischen Aktivitäten bekannt sind und auch Verantwortung für deren Auswirkungen übernommen wird [5]. Zum anderen nimmt der Druck durch rechtliche Vorgaben von Jahr zu Jahr zu. So verpflichtet beispielsweise die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) als Teil des EU Green Deals kapitalmarktorientierte KMU, entweder bereits ab 2026 freiwillig oder ab 2028 verpflichtend, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.

Darüber hinaus sind auch nicht kapitalmarktorientierte KMU mindestens indirekt von den Berichtspflichten betroffen, sofern sie sich in der Lieferkette größerer Unternehmen befinden: Spätestens ab 2026 müssen große Unternehmen für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht entsprechend des European Sustainability Reporting Standard (ESRS) verfassen und veröffentlichen. Hierfür sind sie auf Informationen aus ihrer Lieferkette angewiesen.

Vor allem mittelständische Unternehmen werden durch die CSRD erheblich belastet [6]. Ausschlaggebend dafür ist die notwendige Datenerhebung, die mit einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden ist. Darüber hinaus existiert eine Reihe weiterer Herausforderungen mit Blick auf die Erstellung des ersten Nachhaltigkeitsbericht, mit denen sich Unternehmen und besonders KMU konfrontiert sehen.

Praktische Umsetzungstipps für KMU

Um den Herausforderungen zu begegnen und auf die Anforderungen im Rahmen der Berichterstellung angemessen reagieren zu können, soll die in Abbildung 1 vorgestellte Vorgehensweise auf dem Weg zum ersten Nachhaltigkeitsbericht unterstützen. Das Vorgehen umfasst insgesamt zehn Entscheidungen, die nacheinander zu treffen sind und im Folgenden vorgestellt werden:

10 Entscheidungen und Schritte auf dem Weg zum Nachhaltigkeitsbericht

Abbildung 1: Struktur der zu treffenden Entscheidungen

1. Berichtsstandard auswählen

Die erste und wichtigste Entscheidung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung betrifft die Auswahl des Berichtsstandards, da diese Entscheidung die folgenden Schritte wesentlich beeinflusst. Für die Wahl eines geeigneten Standards, muss zunächst analysiert werden, aus welchen Gründen der Bericht erstellt werden soll und wer die Zielgruppe des Berichts ist, da dies Auswirkungen auf die entsprechenden Anforderungen haben kann. Der Bericht kann beispielsweise verfasst werden, um regulatorische Verpflichtungen zu erfüllen, Rechenschaft und Transparenz gegenüber Investoren zu leisten oder die Kundenbeziehung zu verbessern.

2. Alle Inhalte berücksichtigen

Nach Auswahl des Standards, muss dieser von den berichterstellenden Mitarbeitenden analysiert werden. In der Regel geben die Berichtsstandards vor, welche Themenbereiche in welchen Fällen zu berücksichtigen sind. Es empfiehlt sich den Standard durch eine strukturierte Vorgehensweise in einzelne in sich geschlossene Datenbereiche zu unterteilen und Schritt für Schritt separat weiter zu analysieren.

Im Fall des ESRS bietet es sich beispielsweise an, die zwölf Themenbereiche nacheinander zu betrachten. Um zu entscheiden, ob ein Themenbereich für den Bericht relevant ist oder nicht, kann eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt werden. Mit ihrer Hilfe kann vom Groben ins Feine gehend für jeden Datenpunkt entschieden werden, ob dieser berücksichtigt werden sollte. Wenn der Bericht prüffähig sein soll, ist es empfehlenswert bereits in diesem Schritt eng mit Wirtschaftsprüfenden zusammenzuarbeiten, um Fehler bei der Inklusion und Exklusion von Datenpunkten zu vermeiden.

3. Umfang abschätzen

Basierend auf den Ergebnissen kann in einem nächsten Schritt abgeschätzt werden, in welchem Umfang Daten für die Berichterstellung erhoben werden müssen. Da bekannt ist, welche Daten insgesamt benötigt werden, können die berichterstellenden Mitarbeitenden analysieren, welche Daten dem Unternehmen bereits vorliegen und welche Daten noch erhoben werden müssen. Die Ergebnisse dieser Analyse ermöglichen anschließend eine ungefähre Abschätzung, wie umfangreich die Datenerhebung im Hinblick auf personelle und zeitliche Ressourcen ist.

4. Make- or Buy-Entscheidung

Die erfolgte Abschätzung des Umfangs der Aufwände bildet die erste Grundlage für die Entscheidung, ob der Nachhaltigkeitsbericht intern oder extern erstellt werden soll. Neben der wirtschaftlichen Perspektive müssen auch die Faktoren Rechtssicherheit und verfügbare Ressourcen in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Beispielsweise könnte je nach Vertragsinhalten eine externe Dienstleisterin oder ein externer Dienstleister für die Prüffähigkeit des erstellten Berichts haften.

Auch ein starker Zeitdruck kann für eine externe Bearbeitung sprechen, weil dadurch die Zeit zum Aufbau interner Expertise, eingespart werden kann. Dies könnte zum Beispiel dann relevant sein, wenn der Bericht für ein kurzfristiges Darlehen benötigt wird. Eine Marktanalyse der zur Verfügung stehenden Dienstleistungsangebote kann Aufschluss über die angebotenen Leistungen und Preise geben. Sobald alle Informationen gesammelt wurden, kann dann eine Entscheidung getroffen werden. Da die Nachhaltigkeitsberichterstattung zukünftig an Relevanz gewinnen wird, sollten auch bei einer Entscheidung für die externe Bearbeitung erste Schritte zum Kompetenzaufbau eingeleitet werden, um den Nachhaltigkeitsbericht mittelfristig intern erstellen zu können.

5. Menschenzentriertes Ressourcenmanagement einführen

Um das im Unternehmen vorhandene Personal und das damit verbundene Wissen ideal einzusetzen, ist ein tiefes Verständnis für die Mitarbeitenden und eine positive Einstellung ihnen gegenüber notwendig. Da es sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung um ein recht neues Thema handelt, welches in der Regel nicht zu den Kernaufgaben des vorhandenen Personals gehört, sollte eine Zuweisung „von oben herab“ vermieden werden. Ein gutes Changemanagement kann dazu beitragen, das Personal von dieser neuen Aufgabe zu überzeugen.

Eine Maßnahme könnte beispielsweise sein, die Hintergründe offen zu kommunizieren, warum die Erstellung eines solchen Berichts notwendig ist. Ist Personal für die Erstellung des Berichts im Unternehmen vorhanden, muss als nächstes ein Maßnahmenplan ausgearbeitet und umgesetzt werden. Die ausgewählten Mitarbeitenden müssen zur Berichtserstellung befähigt werden und über ausreichend freie Zeitkapazitäten verfügen. Die Berichterstellung sollte nicht zu einer Doppelbelastung der Mitarbeitenden führen, gleichzeitig sollte das Kerngeschäft des Unternehmens aber nicht beeinträchtigt werden.

6. Umgang mit fehlendem Wissen

Nach dem 5. Schritt ist bekannt, welches Wissen und welche Fähigkeiten bereits im Unternehmen vorhanden sind und welche noch fehlen. Wenn die Mitarbeitenden nicht über ausreichend freie Kapazitäten verfügen, müssen neue Mitarbeitenden gesucht und eingestellt werden. Besonders bei kleineren Unternehmen sollte darauf geachtet werden, niemanden ausschließlich für die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzustellen, da diese Aufgabe, sobald funktionierende Prozesse etabliert sind, voraussichtlich keine Vollzeitstelle mehr erfordert. Stattdessen sollten neue Mitarbeitende die Motivation mitbringen, solche Prozesse aufzubauen, aber auch darüber hinaus zu den im Unternehmen anfallenden Aufgaben passen.

Das notwendige Wissen für die Berichterstellung kann – unabhängig davon, ob neue Mitarbeitende eingestellt werden oder nicht – vermittelt werden. Quelle für dieses Wissen ist zunächst der in Schritt 1 ausgewählte Berichtsstandard. Häufig wird direkt im Standard oder in einem entsprechenden Begleitdokumenten das konkrete Vorgehen sowie die Metriken, mit denen Daten erfasst werden können, erläutert. Weitere Möglichkeiten sind die Teilnahme an entsprechenden Workshops und Schulungen, die Nutzung von Informationsangeboten von Verbänden oder der Austausch mit anderen Unternehmen.

7. Datenqualität gewährleisten

Nachdem das Personal die notwendigen Kompetenzen zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts erworben hat, liegt es nun an ihnen, die notwendige Datenqualität zu gewährleisten. Mit ihrem Wissen können sie Vorlagen und Berichtsstrukturen entwickeln. Über sie können die notwendigen Daten strukturiert in einem vorgegebenen Format von den Datenlieferanten eingefordert werden, wodurch sich das Fehlerpotenzial reduzieren lässt. Es gilt die Vorlagen und Prozesse laufend bezüglich ihrer Aktualität zu überprüfen, bei Bedarf zu aktualisieren und in Rücksprache mit den Datenlieferanten zu verbessern. Die Einführung einer geeigneten Software kann dabei unterstützen, die Datenqualität zu gewährleisten (siehe Schritt 9).

8. Daten von Zuliefernden beschaffen

Die zuvor erstellen Vorlagen können genutzt werden, um Daten von den Zuliefernden einzufordern. Da auch für sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine neue Herausforderung darstellt, sollte Verständnis dafür aufgebracht werden, wenn sie nicht sofort alle geforderten Daten in der entsprechenden Qualität bereitstellen können. Hier bietet sich die Möglichkeit an, sich gegenseitig bei der Datenerhebung zu unterstützen und dabei von den Erfahrungen und dem Wissen des jeweils anderen zu profitieren. Übergangsweise können Plattformen mit Vergleichswerten genutzt werden, um Schätzwerte der entsprechenden Daten in den Nachhaltigkeitsbericht zu inkludieren. Sollten Zuliefernde auch nach einer angemessenen Frist keine Bereitschaft zeigen, die geforderten und notwendigen Daten bereitzustellen, sollte erwogen werden, den bestehenden Vertrag aufzukündigen und eine Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen einzugehen.

9. Software auswählen

Die Einführung einer spezialisierten ESG-Software kann den Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich vereinfachen, ist aber mit zusätzlichen Kosten verbunden. Sollte eine Entscheidung zu Gunsten dieser Investition getroffen werden, müssen die berichterstellenden Mitarbeitenden gemeinsam mit der IT-Abteilung Anforderungen an die Software erarbeiten. Die Anforderungen beschreiben den notwendigen Funktionsumfang der Software, um die geforderten Aufgaben zu erfüllen. Sie definieren zum einen den funktionalen Umfang, wie beispielsweise Ein- und Ausgabemöglichkeiten, und zum anderen technische Eigenschaften, wie beispielsweise vorhandene Schnittstellen oder Anforderungen an die IT-Sicherheit. Mit Hilfe der Anforderungen kann anschließend eine umfassende Marktanalyse durchgeführt und eine passende Software ausgewählt werden.

10. Datenverfügbarkeit sicherstellen

Mit der ausgewählten Software kann idealerweise auch die kontinuierliche Datenverfügbarkeit sichergestellt werden. Entscheidend für eine zufriedenstellende Funktionsweise ist, dass zwischen der Bestandssysteme des Unternehmens sowie dem der ausgewählten ESG-Software geeignete Schnittstellen genutzt oder aufbaut werden, um eine lückenlose und medienbruchfreie Übermittlung der benötigten Daten zu ermöglichen. Die bereits in Schritt 7 entwickelten Vorlagen und Berichtsprozesse können bei der Identifikation von sinnvollen Schnittstellen unterstützen.

10 Entscheidungen und Schritte auf dem Weg zum Nachhaltigkeitsbericht

Autoren:

Lasse Ladewig und Per Rathjen

Quellen

Literatur:

[1] Europäische Kommission. 2019. Der europäische Grüne Deal legt dar, wie Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent gemacht werden kann, indem die Konjunktur angekurbelt, die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen verbessert, die Natur geschützt. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_19_6691, zuletzt geprüft am 15.11.2024.

[2] Lesch, H., Scorza, C. und Theis-Bröhl, K. 2021. Den Klimawandel verstehen. München: Springer-Verlag GmbH Deutschland.

[3] Umweltbundesamt. 2021. Emissionsquellen, https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen, zuletzt geprüft am am 30.08.2024.

[4] Statistisches Bundesamt. 2024. Kleine und mittlere Unternehmen, https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Kleine-Unternehmen-Mittlere-Unternehmen/_inhalt.html#233754, zuletzt geprüft am 30.08.2024.

[5] Tenbieg, M. S. 2021. Sind CSR-Berichte sinnvoll für KMU? Düsseldorf: Deutscher Mittelstandsbund.

[6] Szukitsch, V. 2022. Die neue CSR-Richtlinie kommt, https://www.arbeitsagentur.de/faktor-a/zukunft-der-arbeit/die-neue-csr-richtlinie-kommt, zuletzt geprüft am 30.08.2024.

Disclaimer

Dieser Blog-Beitrag basiert überwiegend auf den Ergebnissen der folgenden Masterarbeit:

Rathjen, P. 2024. Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittleren Unternehmen: Analyse der Anforderungen und Ableitung von Handlungsempfehlungen

Fazit

Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts ist auch für KMU relevant, da so Transparenz über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen des Unternehmens geschaffen wird. So kann das Vertrauen von Kunden, Partnern und Investoren gestärkt werden. Durch die Berichterstattung können KMU auch gesetzliche Anforderungen besser erfüllen und sich auf zukünftige Regulierungen vorbereiten.

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