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Demonstrator zur präziseren visuellen Qualitätskontrolle mit KI

Demonstrator zur visuellen Qualitätskontrolle mit KI

Ausgangslage 

Die Produktionsprozesse in modernen Fertigungsunternehmen werden durch innovative Technologien stetig weiterentwickelt, sodass Effizienz, Präzision und Qualität kontinuierlich gesteigert werden. HellermannTyton, ein weltweit führender Hersteller von hochwertigen Lösungen im Bereich Kabelmanagement, Verbindungstechnik und industrieller Kennzeichnung, hat dabei ein hochmodernes, pixelbasiertes Qualitätssystem eingeführt, das sämtliche potenzielle Defekte zuverlässig erfasst. Das Unternehmen, das 1935 in Hamburg gegründet wurde und seit 2000 seinen Sitz in Tornesch hat, bietet Lösungen für Branchen wie die Automobilindustrie, den Maschinenbau, die Luft- und Raumfahrt, die Elektroinstallation und die Telekommunikation.

EdgeClip mit Kabelbinder

Abbildung 1:

EdgeClip (links) mit Kabelbinder

Durch das hohe Qualitätsversprechen von HellermannTyton wird jedes Produkt mit höchster Präzision geprüft. Besonders die visuelle Kontrolle des EdgeClip, einer Kabelhalterungslösung für die Kantenmontage, stellt dabei eine Herausforderung dar. Diese Halterung, die aus einem widerstandsfähigen Kunststoffgehäuse mit integrierter Federstahlklammer besteht, ermöglicht eine zuverlässige und flexible Befestigung und wird vor allem in der Automobil- und Maschinenbauindustrie geschätzt. Das bestehende System sorgt bereits für eine sehr hohe Qualitätsprüfung, dennoch stößt es bei der präzisen Unterscheidung zwischen tatsächlichen Defekten und Pseudoausschuss an seine Grenzen. Pseudoausschuss bezeichnet in diesem Kontext fehlerfrei produzierte Bauteile, die fälschlicherweise als Ausschuss klassifiziert werden. Dies kann durch optische Effekte wie Reflexionen, Glanzstellen oder Verunreinigungen verursacht werden, die das Prüfsystem als Defekt interpretiert, obwohl das Bauteil in einwandfreiem Zustand ist. Zudem führen Schmutz- und Staubpartikel, Zinksplitter oder verschmutzte Beschichtungen zu fehlerhaften Klassifizierungen. Auch minimale Abweichungen in Geometrie, Abmessungen oder Chargenunterschiede stellen für das System eine Herausforderung dar. Da Mikrofehlerabweichungen nahezu unendlich viele Variationen aufweisen und oft eine glatte Struktur haben, wird eine eindeutige Klassifizierung erschwert. Im Rahmen des Projekts wird daher daran gearbeitet, die Pseudoausschussrate weiter zu senken und damit die Effizienz und Nachhaltigkeit der Produktion zu steigern.

Verschmutzungsgrade des EdgeClips

Abbildung 2:

Verschmutzungsgrade des EdgeClips

In diesem Kontext wurde ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, um den Einsatz künstlicher Intelligenz, speziell Convolutional Neural Networks (CNN), in der visuellen Qualitätskontrolle zu erproben. Ziel war es, ein System zu entwickeln, das in Echtzeit Bilder von Produktionsprozessen auswerten kann, um fehlerhafte Teile zuverlässig zu identifizieren. Zur Umsetzung wurde ein prototypischer Anlagen-Nachbau realisiert, der typische Produktionsbedingungen simuliert. Dabei wurden hochauflösende Industriekameras, ein Drehteller mit pneumatischer Steuerung und eine modulare IT-Architektur eingesetzt, um eine realitätsnahe Testumgebung zu schaffen.


Herausforderungen

Die Integration einer visuellen Qualitätskontrolle mit KI in eine bestehende Produktionsumgebung stellte sowohl technische als auch organisatorische Herausforderungen dar. Eine der zentralen Anforderungen bestand darin, dass das KI-Modell Bilder in Echtzeit analysieren sollte, um den Produktionsfluss nicht zu behindern. Dies bedeutete, dass die Verarbeitung innerhalb von max. 200 Millisekunden erfolgen musste. Um diese Vorgabe zu erfüllen, war die Auswahl geeigneter Edge-Computing-Geräte und entsprechender KI-Modelle entscheidend. Hier mussten Systeme gefunden werden, die sowohl leistungsstark als auch kosteneffizient waren, wie etwa die NVIDIA Jetson Plattform oder vergleichbare Lösungen. Gleichzeitig musste das KI-Modul nahtlos in die bestehende Maschinensteuerung integriert werden. Dies erforderte standardisierte Schnittstellen, um eine reibungslose Kommunikation zwischen der KI und den Steuerungssystemen zu gewährleisten.

Ein weiteres wesentliches Problem war die Datenqualität und -vorbereitung. Die Erfassung von 20.000 Bildern in einer Produktionsumgebung stellte Herausforderungen hinsichtlich Konsistenz und Qualität dar. Faktoren wie unterschiedliche Lichtverhältnisse, variierende Auflösungen und Bewegungsunschärfen mussten systematisch adressiert werden. Zudem war die manuelle Klassifikation und Annotation der Bilder essenziell, um eine einheitliche und qualitativ hochwertige Datenbasis für das Training des KI-Modells zu schaffen. Dies erforderte präzise Tools und klar definierte Kriterien, um Fehlklassifikationen zu minimieren.

Die Modellrobustheit und die Anpassung mittels Transferlernen bildeten eine weitere Herausforderung. Das vorab trainierte KI-Modell musste für die spezifischen Produktionsbedingungen optimiert werden. Dabei war es besonders wichtig, dass das Modell auch bei veränderten optischen Rahmenbedingungen, wie unterschiedlichen Kamerawinkeln oder variierender Lichtintensität, stabile Ergebnisse liefern konnte. Eine iterative Optimierung war notwendig, um Fehlklassifikationen, insbesondere unter extremen Lichtverhältnissen, systematisch zu analysieren und die gewonnenen Erkenntnisse in den Trainingsprozess zurückzuführen.

Neben den technischen Herausforderungen spielten die betriebliche Einbindung und Akzeptanz der neuen Technologie eine entscheidende Rolle. Dies umfasste nicht nur die Handhabung des Systems, sondern auch das Verständnis für dessen Funktionsweise und die Interpretation der Ergebnisse.


Vorgehen

Agiles Vorgehensmodell nach CRISP-DM

Abbildung 3:

Agiles Vorgehensmodell nach CRISP-DM

Um die Herausforderungen der Integration einer visuellen Qualitätskontrolle mit KI zu bewältigen, wurde ein strukturiertes und iteratives Vorgehen entwickelt, das sowohl technische als auch organisatorische Aspekte berücksichtigte. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Prozess nicht strikt linear verläuft, sondern fortlaufend angepasst wird, insbesondere durch häufige Rücksprache zwischen ML- und Fach-Experten. Dort wurden detaillierte Anforderungen definiert und ein umfassendes Konzept erstellt. Dieses umfasste die Entwicklung einer modularen Systemarchitektur mit einem Datenerfassungsmodul, einem zentralen KI-Analysemodul und einer Schnittstelle zur Maschinensteuerung. Zudem wurde eine Datenpipeline zur automatisierten Bilddatenerfassung und Vorverarbeitung definiert, um Bildrauschen zu reduzieren und Kontraste anzupassen

Prototyp mit pneumatischem Drehteller

Abbildung 4:

Prototyp mit pneumatischem Drehteller

Ein zentrales Ergebnis des Projekts war der prototypische Nachbau der Produktionslinie, der als Testumgebung zur Validierung der Qualitätskontrolle mit KI diente. Zusätzlich wurde ein Echtzeit-Monitoring-Dashboard in das System integriert, das eine kontinuierliche Evaluierung und Validierung der KI-gestützten Analyse ermöglicht. Dieses Dashboard erlaubt nicht nur die Visualisierung wichtiger Produktionskennzahlen, sondern bietet auch eine semiautomatisierte Generierung neuer Trainingsdaten. Dabei werden Bilder automatisch erfasst und mithilfe vordefinierter Labels versehen, sodass daraus ein datenbankbasierter Datensatz für das Training neuer KI-Modelle entsteht. Darüber hinaus können bestehende Klassifikationsentscheidungen überprüft und mit realen Teilebewertungen verglichen werden, wodurch eine iterative Verbesserung der bestehenden KI-Systeme möglich wird. Dieser Prototyp bestand aus einem Drehteller mit pneumatischer Steuerung, der eine flexible Simulation variabler Geschwindigkeiten und Positionen ermöglichte. Dadurch konnten realistische Produktionsbedingungen nachgestellt werden, um die Leistungsfähigkeit der KI-gestützten Analyse unter unterschiedlichen Szenarien zu testen. Zur Sicherstellung einer detaillierten Bildaufnahme wurden mehrere hochauflösende Industriekameras strategisch positioniert, sodass verschiedene Blickwinkel und Lichtverhältnisse optimal erfasst wurden. Diese vielseitige Kamerainfrastruktur ermöglichte eine umfassende Erfassung der Bauteile in unterschiedlichen Produktionssituationen. In einem definierten Zeitraum wurden rund 20.000 Bilder aus dem Produktionsprozess gesammelt und mithilfe spezialisierter Annotationstools in „Gut-Teile“ und „Schlecht-Teile“ kategorisiert. Die Bilder wurden anschließend vorverarbeitet, wobei Filter zur Rauschreduzierung, Kontrastanpassungen und Skalierungsanpassungen angewandt wurden, um eine konsistente Datenbasis für das Modelltraining zu schaffen.

CAD-Zeichnung des Prototyps mit mehreren Kameras

Abbildung 5:

CAD-Zeichnung des Prototyps mit mehreren Kameras

Die technische Umsetzung umfasste die Entwicklung der Systemarchitektur in einer modularen Container-Umgebung, beispielsweise mit Docker, um eine flexible Skalierung und einfache Integration in bestehende IT-Landschaften zu gewährleisten. Das Datenerfassungsmodul wurde so konzipiert, dass es einen Live-Zugriff auf die Kameras ermöglichte und Bilder in Echtzeit vorverarbeitete. Das zentrale KI-Analysemodul basierte auf einem Convolutional Neural Network (CNN), das durch Transferlernen an die spezifischen Produktionsbedingungen angepasst wurde. Umfangreiche Hyperparameter-Tuning-Prozesse, wie die Anpassung von Lernraten, Batch-Größen und Netzwerkarchitekturen, verbesserten die Modellgenauigkeit stetig. Die Anbindung an die Produktionssteuerung erfolgte über eine REST-API, wodurch die Analyseergebnisse direkt in den Produktionsprozess integriert wurden. Zur Sicherstellung der Echtzeitfähigkeit kamen leistungsstarke Edge-Computing-Geräte zum Einsatz, die über GPIO-Schnittstellen direkt mit der Maschinensteuerung verbunden wurden. Benchmark-Tests zeigten, dass die Inferenzzeiten konstant unter 200 Millisekunden lagen und somit der Produktionsfluss nicht beeinträchtigt wurde.

Grafische Benutzeroberfläche des Dashboards

Abbildung 6:

Grafische Benutzeroberfläche des Dashboards

In der anschließenden Test-, Validierungs- und Optimierungsphase wurden unterschiedliche Produktionsbedingungen simuliert, um die Robustheit des KI-Modells zu überprüfen. Dazu gehörten Tests unter verschiedenen Lichtverhältnissen, etwa bei natürlichem Licht, künstlicher Beleuchtung und Helligkeitsunterschieden. Zudem wurde der Einfluss von Bewegungsunschärfe und wechselnden Blickwinkeln analysiert. Fehlklassifikationen, die unter ungünstigen Bedingungen auftraten, wurden detailliert analysiert und in weitere Trainingszyklen integriert, um das Modell kontinuierlich zu verbessern.


Erkenntnisse

Das Projekt lieferte wertvolle und praxisrelevante Erkenntnisse, die sowohl technische als auch organisatorische Aspekte betreffen. Besonders die technische Leistungsfähigkeit und der Echtzeitbetrieb des Systems stellten wesentliche Erfolgsfaktoren dar. Durch den iterativen Trainingsprozess und den Einsatz von Transferlernen konnte eine Klassifikationsgenauigkeit von über 95 % erreicht werden, was verdeutlicht, dass das KI-Modell fehlerhafte Teile mit hoher Zuverlässigkeit identifiziert. Zudem wurde durch die Auswahl geeigneter Edge-Computing-Hardware und die optimierte Systemarchitektur eine Inferenzzeit von unter 200 Millisekunden realisiert, sodass der Produktionsfluss in keiner Weise beeinträchtigt wurde.

Das Projekt zeigte zudem, dass das entwickelte KI-System eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität aufweist. Durch Transferlernen ließ sich das Modell effizient an spezifische Produktionsbedingungen anpassen. Dennoch wurde deutlich, dass regelmäßige Nachtrainingszyklen erforderlich sind, da sich optische Rahmenbedingungen, wie wechselnde Lichtverhältnisse, speziell Schattenwürfe, oder unterschiedliche Kameraperspektiven, im Produktionsalltag stetig verändern. Diese kontinuierliche Anpassung ist essenziell, um die langfristige Leistungsfähigkeit des Modells zu gewährleisten.

Zusammenfassend konnte durch das Projekt gezeigt werden, dass eine visuelle Qualitätskontrolle mit KI nicht nur technisch realisierbar ist, sondern durch gezielte Optimierungsmaßnahmen eine effiziente und verlässliche Integration in bestehende Produktionsprozesse ermöglicht werden kann. Außerdem zeigte das Projekt, dass der Aufwand zum Training, sowie zur Implementierung von Systemen für die Inferenz durch ein breites und kostengünstiges Angebot von Software-Bibliotheken und Hardware für die Inferenz auch für KMU tragbar geworden ist. Aufgrund der positiven Ergebnisse und der gewonnenen Erkenntnisse wurde entschieden, ein KI-gestütztes Kamerasystem für eine neue Maschinenkonzeption zu planen und einzuführen. Dieses System wird speziell darauf ausgelegt, die Qualitätssicherung weiter zu optimieren und eine noch präzisere Fehlererkennung in Echtzeit zu gewährleisten.


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Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg
mittelstand-digital@haw-hamburg.de

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ChatPro – Chatbot-basierte Produktempfehlung für komplexe Produkte

ChatPro – Chatbot-basierte Produktempfehlung für komplexe Produkte

Ausgangslage 

Die CNT Gesellschaft für Personal- und Unternehmensentwicklung mbH bietet ein breit gefächertes Portfolio an Personaltests, die individuell auf verschiedene Zielgruppen und Anwendungsbereiche zugeschnitten sind.

Das Hauptprodukt CAPTain Test® gibt es in verschiedenen Ausführungen

  • CAPTain compact® – die Auswertung mit der höchsten Flexibiltät, die eine kompakte und prägnante Analyse des Arbeits- und Leistungsstils und des Teamverhaltens liefert. Die Auswertung hilft dabei, individuelle Stärken, Entwicklungspotenziale und bevorzugte Arbeitsweisen zu erkennen.
  • CAPTain management® – ausführliche Management-Gutachten bezogen auf unterschiedliche Hierarchieebenen und Anforderungen. Mit der Auswertung kann eine Eignung für die Führungsaufgabe beurteilt werden.
  • CAPTain sales® – die Auswertung für den Vertrieb. In der Auswertung werden umfassend, objektiv und präzise die für den Vertrieb notwendigen Verhaltenskompetenzen erfasst.
  • CAPTain smart® – die Auswertungen für spezielle Fragestellungen. Analysiert werden je nach Variante das Konfliktverhalten, der Kommunikationsstil, die Lernkompetenz, Selbstmanagementfähigkeiten oder die Teamrolle.
  • Weitere Produkte erfassten die individuellen Motive, die interkulturelle Kompetenz oder die Vertriebskompetenz.

Aufgrund der zunehmenden Komplexität und Vielfalt dieser Tests fällt es Kunden häufig schwer, die für ihre spezifischen Anforderungen passenden Testverfahren auszuwählen.

Um diese Herausforderung zu bewältigen, ist es notwendig, innovative Lösungen zu entwickeln, die den Kunden dabei helfen, schnell und präzise die passenden Tests zu identifizieren. Eine solche Lösung könnte die Implementierung eines LLM-gestützten Chatbots sein, der in der Lage ist, Kundenanfragen zu analysieren, relevante Informationen aus einer Wissensdatenbank abzurufen und darauf basierend maßgeschneiderte Produktempfehlungen zu geben.

CNT Webseite des Chatbot Projektes

Herausforderungen

Die Entwicklung eines KI-gestützten Chatbots zur Empfehlung passender Personaltests brachte eine Reihe technischer und organisatorischer Herausforderungen mit sich. Diese betrafen insbesondere die Datenqualität und die Auswahl sowie Integration eines leistungsfähigen Large Language Models (LLM). Schnell wurde außerdem klar, dass der Aufwand zur Bereitstellung eines selbst gehosteten Systems für die erwartete Nutzung unverhältnismäßig hoch wäre. Daher bestand eine zentrale Herausforderung darin, einen geeigneten Anbieter für Chatbots zu finden, der sowohl DSGVO-konform und sicher in der Datenverarbeitung ist als auch den Anforderungen an eine möglichst niedrige Latenzzeit und hohe Benutzerfreundlichkeit gerecht wird. Die Auswahl des LLM erfolgte in einem späteren Schritt, nachdem der geeignete Chatbot-Anbieter gefunden und integriert war.

Datenheterogenität und Datenqualität

Eine der zentralen Herausforderungen bestand in der heterogenen Datenbasis. Die Informationen zu den Personaltests lagen in unterschiedlichen Formaten, Webseiten und unstrukturierten Texten vor. Daher war eine sorgfältige Bereinigung, Harmonisierung und Transformation der Daten erforderlich. Ziel war es, eine standardisierte, semi-strukturierte Datenbasis zu schaffen, die optimal für die Verarbeitung durch das gewählte LLM vorbereitet ist.

Integration und Auswahl des Chatbot-Anbieters

Die Auswahl eines geeigneten Chatbots war ein kritischer Faktor für den Projekterfolg. Dabei wurden verschiedene Anbieter hinsichtlich Datenschutzes, Kosten, Leistungsfähigkeit und Integrationsmöglichkeiten verglichen. Da der Chatbot unter Umständen personenbezogenen Daten verarbeitet, spielte der Datenschutz eine entscheidende Rolle.

Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Prompt Engineering. Um präzise und kontextbezogene Produktempfehlungen zu ermöglichen, mussten spezifische Instruktionen entwickelt und getestet werden. Dies erforderte eine iterative Optimierung der Prompts, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.


Vorgehen

Das Projekt folgte einem linearen Ansatz, bei dem die Datenauswahl und Transformation parallel zur Auswahl des Anbieters anhand der im Vorfeld erhobenen Anforderungskriterien durchgeführt wurde. Dies ermöglichte eine strukturierte und gezielte Umsetzung der einzelnen Phasen.

Anforderungsanalyse und Auswahl eines Anbieters LLM-gestützten Chatbots

Zu Beginn des Projekts wurden in einem gemeinsamen Workshop durchgeführt relevante Use Cases und Kundenbedürfnisse identifiziert. Dieser Workshop diente nicht nur der reinen Anforderungsaufnahme, sondern auch dazu, ein gemeinsames Verständnis für die Zielsetzung des Projekts zu schaffen. Durch interaktive Diskussionen konnten unterschiedliche Perspektiven einbezogen und potenzielle Herausforderungen frühzeitig erkannt werden.

Im Rahmen der Anforderungsanalyse wurden detaillierte Anforderungen erstellt, die als Grundlage für die Auswahl und Umsetzung dienten. Dabei wurden zentrale Aspekte wie Datenschutz, Kosten und Benutzerfreundlichkeit besonders berücksichtigt, um den zukünftigen Betrieb des Systems sicherzustellen. Der Datenschutz spielte eine zentrale Rolle, da der Chatbot möglicherweise mit sensiblen Daten arbeitet und dabei stets DSGVO-konform agieren muss. Neben technischen Anforderungen wurden auch Nutzererwartungen und User Experience-Aspekte betrachtet. Es war essenziell, dass der Chatbot einfach zu konfigurieren und zu warten ist und eine intuitive, möglichst natürliche Interaktion ermöglicht.

Auf Basis dieser zuvor festgelegten Anforderungen wurden mehrere potenzielle Anbieter evaluiert. Dabei wurden insbesondere Datenschutz, Kosten und Benutzerfreundlichkeit untersucht. Nach einer umfassenden Analyse wurde schließlich ein Anbieter ausgewählt, der den definierten Anforderungen am besten entsprach.

Datenprüfung und Transformation

Nachdem der Anbieter ausgewählt wurde, erfolgte eine umfassende Dateninventur. Dabei wurden alle verfügbaren internen und externen Datenquellen zusammengeführt und analysiert. Die primäre externe Datenquelle waren die Inhalte der Webseite des Unternehmens. Während das automatische Einlesen der Webseiten über das Interface technisch einfach realisierbar war, zeigten erste Tests erhebliche Probleme in der Datenqualität. Daher wurde eine semi-automatische Crawling-Lösung auf Basis der Open-Source-Software Firecrawl.dev implementiert. Diese Lösung ermöglichte es, Webseitentexte gezielt in ein für LLMs verständliches Markdown-Format zu konvertieren.

Markdown für LLMs ist ein semi-strukturiertes Textformat, das eine klare Trennung von Inhalten und Layout ermöglicht. Dabei werden z. B. fettgedruckte Begriffe für Schlüsselbegriffe genutzt, Überschriften zur thematischen Gliederung definiert und Tabellen in strukturierte Dateneinheiten überführt. Diese Struktur stellt sicher, dass LLMs den Text effizient verarbeiten können, ohne auf überflüssige oder redundante Informationen zu stoßen.

Nach der automatischen Extraktion wurden die Daten manuell überarbeitet, um irrelevante Inhalte wie wiederkehrende Kontaktinformationen oder redundante Abschnitte zu entfernen. Dadurch wurde sichergestellt, dass die resultierende Datenbasis möglichst präzise und qualitativ hochwertig für die spätere Verarbeitung war.

Testen, Validierung & Optimierung

Nach der Datenprüfung und Transformation wurde der Chatbot zunächst in einem nicht-live Betrieb von mehreren Mitarbeitenden getestet. Dabei wurde insbesondere die Richtigkeit der empfohlenen Personaltests anhand zuvor definierter Kriterien überprüft. Zusätzlich wurden verschiedene Strategien zur Informationsgewinnung und Auswahl des optimalen Tests ausprobiert, um die bestmögliche Benutzerführung zu ermitteln.

Ein zentraler Bestandteil des Testprozesses und Optimierungsprozesses war das Prompt Engineering. Die Formulierungen der Prompts wurden iterativ überarbeitet und an unterschiedliche Szenarien angepasst. Durch wiederholte Tests wurden Anweisungen verfeinert, um die Genauigkeit und Relevanz der generierten Antworten zu maximieren. Dabei wurden verschiedene Versionen der Prompts entwickelt, um zu verstehen, wie sich unterschiedliche Formulierungen auf die Antwortqualität auswirken.

Zusätzlich wurden mehrere LLM-Anbieter getestet, um herauszufinden, wie unterschiedlich sie auf spezifische Instruktionen reagieren. Dabei wurde untersucht, welche Modelle am besten mit den Anforderungen der Personaltest-Empfehlungen harmonierten. Die Leistung der LLMs wurde anhand von Kriterien wie Präzision, Antwortgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Eingabevarianten bewertet.

Schließlich wurden alle Testergebnisse in einer Fehleranalyse zusammengeführt. Besonders falsche Empfehlungen und Missverständnisse in der Interaktion wurden detailliert anhand der Nachrichten-Historie untersucht. Auf Basis dieses Feedbacks erfolgten Anpassungen der Prompt-Strategie sowie eine gezielte Erweiterung der Wissensdatenbank, um die Qualität der Antworten kontinuierlich zu verbessern. Die iterative Optimierung stellte sicher, dass der Chatbot schrittweise an die Anforderungen der Benutzer angepasst wurde und eine hohe Präzision in der Beratung gewährleisten konnte.


Erkenntnisse und Projektergebnisse

Das Projekt zur Entwicklung eines KI-gestützten Chatbots für die Empfehlung von Personaltests hat wertvolle Erkenntnisse geliefert und bedeutende Fortschritte erzielt. Durch die strukturierte Herangehensweise konnten zahlreiche Herausforderungen identifiziert und gezielt gelöst werden.

Ein zentrales Ergebnis war die erfolgreiche Integration der Datenbasis, die aus einer Kombination interner und externer Quellen besteht. Die ursprünglich angedachte automatische Extraktion der Webseitentexte zeigte Qualitätsprobleme, weshalb eine semi-automatische Crawling-Lösung mit Firecrawl implementiert wurde. Diese ermöglichte es, Webseitentexte in ein für LLMs verständliches Markdown-Format umzuwandeln, das anschließend manuell überarbeitet wurde, um Redundanzen zu vermeiden und die Informationsqualität zu steigern.

Die Evaluierung verschiedener Chatbot-Anbieter anhand vordefinierter Kriterien führte zur Auswahl einer Lösung, die eine schnelle API-Integration, regelmäßige Updates und hohe Datenschutzstandards bietet. Dies stellte sicher, dass der Chatbot skalierbar und zukunftssicher ist.

Das Testen und Optimieren im nicht-live Betrieb mit Mitarbeitenden lieferte wertvolle Erkenntnisse zur Qualität der Produktempfehlungen. Es wurde festgestellt, dass die richtige Gestaltung der Prompts eine entscheidende Rolle spielt. Durch iteratives Prompt Engineering wurden die Anweisungen kontinuierlich angepasst, um präzisere Antworten zu erhalten. Zudem wurden verschiedene LLM-Anbieter getestet, um deren Reaktionen auf unterschiedliche Instruktionen zu analysieren und den besten Anbieter für die spezifischen Anforderungen auszuwählen.

Schließlich wird der Chatbot in den kommenden Wochen in den Live-Betrieb auf der Webseite überführt. In dieser Pilotierungsphase werden die Interaktionen mit den Kunden detailliert analysiert, um weiteres Optimierungspotenzial zu identifizieren. Besonders im Fokus stehen die Verbesserung der Antwortqualität sowie die Erhöhung der Conversion-Rate. Die Erkenntnisse aus der Echtzeit-Nutzung werden genutzt, um das System iterativ weiterzuentwickeln und den Mehrwert für die Nutzer kontinuierlich zu steigern.

Dieses Projekt zeigt zudem, dass KMU auch ohne eigenes Rechenzentrum und große IT-Abteilungen in der Lage sind, eigene Chatbots auf ihrer Webseite zu integrieren. Obwohl die Umsetzung eine sorgfältige Planung, ausgiebige Tests und verschiedene Iterationsschritte erfordert, ist es dennoch machbar. Durch die Nutzung externer Anbieter und moderner KI-Technologien können auch kleinere Unternehmen innovative Lösungen anbieten und ihre digitale Präsenz nachhaltig verbessern.


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Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg
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IoT im Handwerk – Geschäftsmodellerweiterung durch smarte Technologien

IoT im Handwerk – Geschäftsmodellerweiterung durch smarte Technologien

Ausgangslage und Herausforderung

Die Digitalisierung bietet Handwerksbetrieben vielfältige Chancen, ihre Geschäftsmodelle zu erweitern und effizienter zu gestalten. Vor diesem Hintergrund nahmen die Geschäftsführer des Malerbetriebs Tobias Gerdtz und der Firma BAD ELEMENTE aus Hamburg an einem IoT-Workshop des Mittelstand-Digital Zentrums Hamburg teil.

Beide Betriebe hatten zuvor im Rahmen einer Workshopreihe des Mittelstand-Digital Zentrums Hamburg zu neuen Geschäftsmodellen im Handwerk erste Ideen für digitale Innovationen entwickelt. Ziel des aktuellen Workshops war es, diese Ideen zu konkretisieren, das Potenzial des Internets der Dinge (IoT) zu erkennen und konkrete Ansätze für die Integration smarter Elemente in ihre Geschäftsmodelle zu entwickeln.


Vorgehen und Erkenntnisse

Der halbtägige Workshop begann mit einer Einführung in die Grundlagen und Möglichkeiten von IoT im Handwerk. Die Teilnehmenden konnten im BIL, dem Business Innovation Lab der HAW Hamburg, praktische Anwendungen direkt erleben. Verschiedene Simulationen demonstrierten den Einsatz smarter Sensoren und Systeme.

Angeleitet von unseren Experten konnten die Geschäftsführer IoT-Elemente ausprobieren und live beobachten, wie sie Daten erfassen und verarbeiten. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf individuellen Anwendungsfällen für die beiden Betriebe:


Malerbetrieb Tobias Gerdtz

Der Betrieb lernte den Einsatz von Feuchtigkeitssensoren und Infrarotsensoren kennen. Diese Sensoren messen kontinuierlich den Feuchtigkeitsgehalt und die Temperatur von Oberflächen und senden die Daten in Echtzeit an eine zentrale App, die wiederum ein Dashboard speist. Der Vorteil: Die Kombination dieser Sensoren ermöglicht es, potenzielle Feuchtigkeitsprobleme und Wärmebrücken frühzeitig zu erkennen, die auf schleichende Wasserschäden hindeuten könnten. Besonders im Hinblick auf die proaktive Schimmelbekämpfung bieten diese Technologien erhebliche Vorteile. Kritische Werte werden frühzeitig gemeldet, bevor sichtbare Schäden entstehen, wodurch präventive Maßnahmen eingeleitet werden können. Für Kundinnen und Kunden bedeutet dies einen umfassenden Schutz vor kostspieligen Reparaturen und Gesundheitsrisiken.

Tobias Gerdtz knüpfte an Erkenntnisse aus der vorangegangenen Workshopreihe an und vertiefte das Konzept, wie Sensorik gezielt als Mehrwert im Leistungsportfolio integriert werden kann.

Das Projekt erinnert an ein bekanntes Best-Practice-Beispiel – ein Smart-Dach-Projekt, bei dem Sensoren die Feuchtigkeit und Temperatur der Dachkonstruktion kontinuierlich überwachen und automatisch Alarm schlagen, sobald Grenzwerte überschritten werden. Ähnlich dazu möchte Tobias Gerdtz ein smartes Monitoring entwickeln, um Gefahren durch zu hohe Feuchtigkeit oder potenzielle Wasserschäden frühzeitig zu erkennen und zu beheben.


BAD ELEMENTE

Für den Fachbetrieb für Badgestaltung standen IoT-Elemente zu Licht, Wärme, Musik, Gesundheit und Sicherheit im Fokus. Das smarte Bad-Konzept zielt darauf ab, einen ganzheitlichen Ansatz für Gesundheitsvorsorge, Wohlfühlfaktor und ökologische Vorteile zu bieten. Für Kundinnen und Kunden bedeutet dies ein Bad, das nicht nur den Komfort erhöht, sondern aktiv zur Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit beiträgt.


In einem Abschlussworkshop wurden Etappen der Umsetzung abgesteckt. Maler Gerdtz hat sich auf den Weg der Testung gemacht. Er begann mit Messungen an verschiedenen Hauswänden, wofür er spezielle Technik angeschafft hat, darunter:

  • Digitaler Temperatursensor und Raspberry Pi (RPi): Dieser Sensor misst kontinuierlich die Oberflächentemperatur und speichert die Daten lokal oder in der Cloud. Der RPI ist ein Mini-Computer, an den die Sensoren die Daten über den Homeassistent senden können.
  • Home Assistant: Über den Home Assistant, eine Open-Source-Plattform für Hausautomatisierung, werden die erfassten Daten gesammelt und analysiert. Das System ermöglicht die Integration verschiedener Sensoren und deren Steuerung über ein zentrales Dashboard.

Die Technik funktioniert, indem die Sensoren kontinuierlich Daten zu Temperatur und Feuchtigkeit an das System senden. Diese Daten können von Home Assistant visualisiert und ausgewertet werden, um problematische Stellen zu identifizieren. Der nächste Schritt von Tobias Gerdtz ist, die Datenanalyse zu automatisieren: Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) soll Home Assistant künftig selbstständig Muster erkennen und präventive Empfehlungen geben.

Tobias Gerdtz fasste seine bisherigen Erfahrungen zusammen:

„Der Workshop hat uns die Augen für die vielfältigen Möglichkeiten von IoT im Handwerk geöffnet. Der Einsatz der Feuchtigkeitssensoren und die Integration von Home Assistant sind ein entscheidender Schritt, um unsere Dienstleistungen präziser und nachhaltiger zu gestalten. Wir freuen uns darauf, unser System weiterzuentwickeln und den nächsten Schritt in Richtung KI-gestützter Analysen zu gehen.“

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Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg, Christine Mish

Christine.Mish@hwk-hamburg.de

Das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg gehört zu Mittelstand-Digital. Mit dem Mittelstand-Digital Netzwerk unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk. Kommen Sie gern auf uns zu, wir bringen Sie Digital Voraus!

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Tradition und Innovation in einer Apotheke

Tradition und Innovation in einer Apotheke

Das Unternehmen

Die Fontane Apotheke in Weyhe bietet eine umfassende Versorgung in den Bereichen Gesundheit und Wohlbefinden. Ein qualifiziertes Team steht den Kundinnen und Kunden mit fachkundiger Beratung und einem breiten Leistungsspektrum zur Seite – von der klassischen Arzneimittelversorgung bis hin zu individuellen Beratungsangeboten. Durch die Kombination traditioneller Apothekenkompetenz ermöglicht die Apotheke eine flexible und zeitgemäße Betreuung.

Dazu gehören moderne digitalen Lösungen, wie der Vorbestellung per App oder Online-Beratung. Ziel ist es, eine zuverlässige und persönliche Versorgung sicherzustellen, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Kundschaft orientiert. Neben der Bereitstellung von Medikamenten legt die Fontane Apotheke besonderen Wert auf Serviceleistungen wie Medikationsmanagement, Ernährungsberatung und die Anfertigung individueller Rezepturen.

Projektbericht Apotheke Fontane

Ausgangslage und Ist-Situation

Die Fontane Apotheke unternahm bereits erste Schritte in Richtung Digitalisierung. Mit Angeboten wie der Möglichkeit zur Online-Rezeptbestellung, digitalen Beratungsservices und einem Online-Shop reagiert sie auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kundschaft und die Entwicklungen im Gesundheitswesen. Diese Neuerungen stehen jedoch vor besonderen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung des E-Rezepts. Da ein großer Teil der Kundschaft zur älteren Generation gehört, zeigt sich häufig eine Zurückhaltung gegenüber digitalen Lösungen.

Es bedarf daher gezielter Maßnahmen, um Akzeptanz und Vertrauen in die neuen Angebote zu stärken und den Übergang möglichst einfach zu gestalten. Zudem sieht sich die Apotheke einem zunehmenden Wettbewerbsdruck durch ausländische Anbieter, insbesondere durch Online- oder Versandapotheken, ausgesetzt. Diese punkten häufig mit aggressiver Preisgestaltung und breiten digitalen Vertriebsstrukturen, was es für lokale Apotheken herausfordernd macht, ihre Position am Markt zu behaupten. Um diesen Entwicklungen aktiv zu begegnen, setzt die Fontane Apotheke auf eine vorausschauende Strategie, die Tradition mit Innovation verbindet.


Ziel ist es, die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen, um den Service kontinuierlich zu verbessern und den Erwartungen der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden. Durch gezielte Investitionen in moderne Technologien und kundenorientierte Lösungen will die Apotheke ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern und sich als zukunftsorientierter Gesundheitsdienstleister positionieren.


Prozesse zur Identifizierung der Herausforderungen

In Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg wurden die Herausforderungen der Fontane Apotheke systematisch und detailliert analysiert. Durch strukturierte Interviews zu einzelnen Prozessen mit dem Inhaber, der die betrieblichen Abläufe und relevanten Prozesse bestens kennt, konnten wertvolle Einblicke in die bestehenden Strukturen gewonnen werden. Diese methodische Vorgehensweise ermöglichte eine präzise Bestandsaufnahme der aktuellen Situation und eine fundierte Einschätzung möglicher Optimierungspotenziale.

Der Schwerpunkt der Analyse lag auf den Prozessen rund um die Online-Bestellung sowie der Einführung und Umsetzung des E-Rezepts. Im Fokus standen dabei die einzelnen Schritte – von der Ausstellung ärztlicher Verordnungen durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über die digitale oder analoge Übermittlung an die Apotheke bis hin zur finalen Bereitstellung der Medikamente für die Patientinnen und Patienten, insbesondere in Pflegeeinrichtungen. Hierbei wurden zentrale Herausforderungen, wie die Effizienz der Abläufe und die Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren, sorgfältig untersucht. Gemeinsam wurden gezielte Ansätze zur Optimierung dieser Prozesse erarbeitet, um eine reibungslose und zeitnahe Versorgung sicherzustellen.

Zusätzlich erfolgte eine umfassende Analyse der bestehenden IT-Infrastruktur. Dabei wurden sowohl bestehende Stärken als auch potenzielle Schwachstellen identifiziert, um nachhaltige Entwicklungsstrategien zu entwickeln. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wertvolle Grundlage für die Weiterentwicklung der digitalen Prozesse und sollen dazu beitragen, diese gezielt an die aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Kundschaft anzupassen.


Ergebnisse und Ausblick

Die identifizierten Herausforderungen und Potenziale bilden die Grundlage für die nächsten Schritte zur Optimierung der Prozesse sowie zur strategischen Weiterentwicklung der Fontane Apotheke. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der erfolgreichen Einführung und Etablierung des E-Rezepts, das einen bedeutenden Wandel in der täglichen Arbeit der Apotheke darstellt.

Ein zentrales Handlungsfeld ist die Förderung der Akzeptanz des E-Rezepts, insbesondere bei der älteren Kundschaft, die häufig noch mit traditionellen Papierverordnungen vertraut ist. Um den Übergang zu erleichtern, wurden gezielte Maßnahmen erarbeitet. Dazu gehören speziell entwickelte Informationsmaterialien in Form von verständlich gestalteten Flyern, die die wichtigsten Schritte zur Nutzung des E-Rezepts praxisnah erklären und dessen Vorteile – wie Zeitersparnis, höhere Sicherheit und einfachere Handhabung – klar hervorheben. Diese Flyer sollen sowohl in der Apotheke als auch über verschiedene Kanäle, wie Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen, verteilt werden, um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen.

Zusätzlich wird geprüft, ob eigens geschulte Mitarbeitende als feste Ansprechpersonen für Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen, um Unsicherheiten abzubauen und individuelle Unterstützung bei der Einführung und Nutzung des E-Rezepts anzubieten. Dies könnte in Form von persönlichen Beratungsgesprächen, kurzen Schulungen oder begleiteten Erstnutzungen erfolgen, um die Hemmschwelle zu senken und Vertrauen in die neuen digitalen Prozesse zu schaffen.

Die Analyse ergab zudem, dass die bestehenden digitalen Systeme und Abläufe der Fontane Apotheke bereits auf einem hohen Niveau funktionieren. Die grundlegenden Prozesse sind effizient organisiert und erfüllen die aktuellen Anforderungen. Optimierungspotenziale wurden nur in wenigen Bereichen identifiziert, insbesondere in der weiteren Vernetzung mit externen Akteuren wie Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen, um die Datenübermittlung noch nahtloser zu gestalten. Diese Erkenntnis unterstreicht die solide digitale Basis, auf der die Apotheke aufbauen kann, und ermöglicht eine gezielte Konzentration auf die Umsetzung der priorisierten Maßnahmen.


Mit diesen strategischen Schritten wird die Fontane Apotheke ihre Position am Markt nachhaltig stärken und den steigenden Anforderungen des digitalen Gesundheitswesens gerecht werden. Ziel ist es, praxisnahe und zukunftssichere Lösungen umzusetzen, die sowohl die internen Abläufe optimieren als auch einen spürbaren Mehrwert für die Kundschaft schaffen. Durch die konsequente Weiterentwicklung digitaler Prozesse und den persönlichen Kundenservice wird die Apotheke auch langfristig als vertrauenswürdiger und innovativer Partner im Gesundheitswesen wahrgenommen.


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Mitarbeiter finden und halten – Mit digitaler Kompetenz und Perspektivwechsel zum Erfolg

Mitarbeiter finden und halten – Mit digitaler Kompetenz und Perspektivwechsel zum Erfolg


Ausgangslage und Herausforderung

Die Hanse Baustrom Systeme GmbH (HBS) aus Hamburg ist ein führender Anbieter im Bereich Baustrom- und Energieversorgungslösungen. Das Unternehmen steht vor der Herausforderung, geeignete Fachkräfte zu finden und bestehende Mitarbeitende langfristig an den Betrieb zu binden. Mit wachsendem Wettbewerb und neuen Anforderungen im Bereich moderner Arbeitskulturen wurde erkannt, dass eine innovative Herangehensweise notwendig ist. Aus diesem Grund nahm der Betrieb an einem individuell zugeschnittenen Workshop des Mittelstand-Digital Zentrums Hamburg in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Hamburg teil, der im November 2024 stattfand.


Vorgehen und Erkenntnisse

Der halbtägige Workshop zielte darauf ab, nicht nur Ideen und Maßnahmen zu entwickeln, sondern auch das Team aktiv einzubinden. Das Besondere: Nicht nur die kaufmännische Leitung oder leitende Mitarbeiter*innen waren vertreten. Stattdessen nahm ein Großteil der Mitarbeitenden teil. Der Workshop setzte bewusst auf einen Perspektivwechsel: Die Teilnehmenden schauten sich den Bewerbungsprozess konsequent aus der Sicht der potenziellen Wunsch-Mitarbeitenden an.

Ein zentraler Bestandteil war die Methode der sogenannten „Candidate Journey“, die speziell auf den Bereich Energie- und Baustromversorgung zugeschnitten wurde. Dabei wurde die Reise zweier fiktiver Bewerber-Persona, eines erfahrenen, digital-affinen Tiefbauers sowie eines Auszubildenden, simuliert. Fragen wie: „Wo sucht ein digital-affiner Fachprofi im Energiebereich nach neuen Jobmöglichkeiten? Welche Plattformen und Netzwerke sind relevant? Wie wirkt der erste Eindruck einer Stellenanzeige auf potenzielle Bewerbende? Welche Kriterien sind bei welchem Bewerber bei der Arbeitgeberwahl relevant?“ wurden gemeinsam analysiert. Diese Simulation half, Bedürfnisse und Erwartungen besser zu verstehen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln.


Praxisnahe Einblicke und digitale Unterstützung

Dank der praxisnahen Inputs der Expertinnen und Experten des Mittelstand-Digital Zentrums Hamburg sowie Handwerkskammer Hamburg (Beratungsstelle für Innovation und Technologie & LÜÜD Personalberatung) erhielten die Teilnehmenden wertvolle Tipps, insbesondere zur Nutzung von Social Media als essenziellen Kanal der Bewerberansprache. Das bedeutet: wiederkehrende Themen und Formate wie Einblicke in den Arbeitsalltag, Projekt-Updates und authentische Beiträge stärken nicht nur die Marke. Sondern sie erhöhen auch die Sichtbarkeit des Betriebs.

Es wurde vom HBS-Team u.a. herausgearbeitet, dass ein konsistenter Auftritt mit einem klaren roten Faden auf Plattformen wie Instagram stattfinden soll.

Auch der Einsatz von modernen KI-Anwendungen wie ChatGPT wurde im Workshop thematisiert. KI kann sowohl bei der Erstellung von Stellenanzeigen unterstützen als auch intern eingesetzt werden, um häufig gestellte Fragen automatisiert zu beantworten oder Bewerbungsprozesse effizienter zu gestalten.


Fazit

Am Ende des Workshops konnten umfangreiche Ergebnisse verzeichnet werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeiteten zahlreiche Maßnahmen sowie eine TO DO Liste für deren Umsetzung. Die kaufmännische Leitung Sabrina Koch betonte abschließend:

„Ich bin sehr dankbar dafür, dass eine Workshop-Atmosphäre geschaffen wurde, in der wir uns konstruktiv und offen austauschen konnten und auch brenzligen Themen auf den Tisch gekommen sind. Alle haben sich eingebracht und mitdiskutiert. Ebenso klasse finde ich es, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für bestimmte Themen übernehmen und damit unseren Betrieb voranbringen. Nun werden die Ergebnisse in Teamrunden flächendeckend in unseren Betrieb gebracht, um alle mit ins Boot zu holen. Ich bin gespannt auf Resonanzen und weitere Ideen.“


Sie haben Fragen zu diesem Perspektivwechsel?

Dann freuen wir uns über eine Nachricht an:

Christine Mish, Mittelstand-Digital Zentrum HamburgChristine.Mish@hwk-hamburg.de

Das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg gehört zu Mittelstand-Digital. Mit dem Mittelstand-Digital Netzwerk unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk. Kommen Sie gern auf uns zu, wir bringen Sie Digital Voraus!

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Netzentgelte vermeiden: Wie Energiewirte und -kunden von Kundenanlagen und Geschlossenen Verteilernetzen profitieren können

Netzentgelte vermeiden: Wie Energiewirte und -kunden von Kundenanlagen und Geschlossenen Verteilernetzen profitieren können

Einleitung

Netzentgelte sind ein nennenswerter Faktor der Stromkosten und ein hochkontroverses Thema. Es gibt Netze höchster, hoher, mittlerer und niedriger Spannung und für alle Ebenen fallen Entgelte an. Die dezentrale Stromerzeugung durch sogenannte Erneuerbare Energien (EE) führt in der Praxis oft dazu, dass Strom weit entfernt vom Erzeugungsort abgenommen wird, was teuren Netzausbau erfordert. Um dem entgegenzuwirken, gibt es Anreize für Privatunternehmer lokale Netze zu betreiben und dezentral produzierten Strom unter Umgehung der höheren Spannungsebenen lokal abzunehmen.

Für Stromabnehmer oder für Unternehmen, die selbst Energie produzieren, eröffnet die Vermeidung von Netzentgelten die Möglichkeit, ihre Betriebskosten signifikant zu senken. Auf Systemebene bietet die gezielte Netzentgeltvermeidung ebenfalls Vorteile, da dezentralisierte Strukturen die zentralen Netze entlasten und zur Stabilität des Systems beitragen können. Zusätzlich geht das Betreiben von Netzen mit erheblichem bürokratischem Aufwand einher, der insbesondere für Betreiber von Kleinstnetzen – z.B. Hausanlagen zur Selbstversorgung mit PV-Anlagen – in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen würde.


Das Unternehmen NordEnergie#AI, das sich auf die Vermittlung von Energieanbietern und -abnehmern spezialisiert hat, betreut seine Kunden in allen energierelevanten Fragen direkt oder indirekt. Zu dieser Betreuung gehört auch Unterstützung bei der Beantwortung der Frage nach Möglichkeiten zur Netzentgeltvermeidung und sonstigen Kosteneinsparungen für Energiewirte oder Energiekunden. Der Geschäftsführer der NordEnergie#AI kam auf den KI-Trainer des Mittelstand-Digital Zentrums Hamburg zu, um im Rahmen eines Digital Plus-Projekts die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zu eruieren. Da Digitalprojekte der Allgemeinheit – insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen – dienen sollen und Antworten auf die Fragen nach Netzentgelten für eine Vielzahl an Energiewirten sowie Industrie- und Gewerbeunternehmen Nutzen bringen würden, wurde das Projekt angenommen.

Die hier erarbeitete Handreichung ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen, sondern als Analysetool, um eigenständig eine erste Selbsteinschätzung treffen zu können. Dementsprechend kommt das Projekt auch ausschließlich KMU zugute, da Großunternehmen in der Regel bereits über eigene Rechtsabteilungen verfügen.

Dieser Beitrag ist folgendermaßen gegliedert:

In der nächsten Sektion werden die beiden Arten der Kundenanlagen sowie das Geschlossene Verteilernetz detailliert vorgestellt. Dabei wird, wenn immer möglich, auf Gerichtsurteile verwiesen, die rechtlich unklare Begriffe konkretisiert haben. In der dritten Sektion wird ein Entscheidungsbaum des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK) vorgestellt, der Unternehmen bei der Einschätzung hilft, ob es sich bei ihrem Projekt um eine der beiden Kundenanlagen, ein Geschlossenes Verteilernetz oder ein gewöhnliches öffentliches Netz handelt. In derselben Sektion wird außerdem eine überarbeitete Version des Entscheidungsbaums vorgestellt. In der vierten Sektion wird der neue Entscheidungsbaum im Rahmen eines Fallbeispiels der NordEnergie#AI angewandt und in der letzten Sektion das Fazit gezogen.


Netze und Netzentgelte

Im vorliegenden Projekt wurden ausschließlich Stromnetze betrachtet. Wie im Eingangsparagraphen erwähnt, kann lokal erzeugter Strom unter Umgehung höherer Spannungsebenen direkt an den Endabnehmer abgegeben werden: z.B. könnte der Eigentümer eines Mietshauses PV-Anlagen auf dem Hausdach anbringen und ein lokales Netz betreiben, dass unter Umgehung höherer Spannungsebenen alle Mieter mitversorgt. Hier gibt es schon intuitiv keinen Sinn, Entgelte für höhere Spannungsebenen bezahlen zu müssen. Grundsätzlich wurden drei verschiedene Gesetzesvorgaben gefunden, die sich mit der Vermeidung von Entgelten befassen:

  • Das „Entgelt für dezentrale Einspeisung“ nach § 18 der „Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV)“
  • Das „Geschlossenes Verteilernetz“ nach § 110 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)
  • Kundenanlagen nach Nr. 24a und Nr. 24b des §3 Begriffsbestimmungen des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)

Das Entgelt für dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV ist ein auslaufendes Gesetz: es bezieht sich nur auf dezentrale Erzeugungsanlagen, die vor dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurden, und auch dann nur, wenn sie kontinuierlich Strom erzeugen. Bei volatiler Stromerzeugung, wie EE meistens der Fall, werden nur Anlagen berücksichtigt, die vor dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen wurden. Damit waren sie für das Projekt nicht relevant, da NordEnergie#AI sich praktisch ausschließlich mit Neubauten beschäftigt.

Damit bleiben Geschlossene Verteilernetze und Kundenanlagen als Optionen übrig. Kundenanlagen können weiter in die beiden Untertypen „Kundenanlagen“ nach §3 Nr. 24a EnWG und „Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung“ nach §3 Nr. 24b EnWG eingeteilt werden.


Vorteile von Kundenanlagen und Geschlossenen Verteilernetzen

Kundenanlagen gelten gemäß §3 Nr. 16 EnWG nicht als Energieversorgungsnetze. Dementsprechend entfallen für sie sämtliche regulatorische Pflichten des EnWG [1]. Bei Geschlossenen Verteilernetzen handelt es sich um Energieversorgungsnetze, die jedoch von mehreren Regulierungspflichten entbunden wurden, was den buchhalterischen Aufwand enorm reduziert. Insgesamt finden 12 Paragraphen komplett oder in Teilen keine Anwendung. All diese Paragraphen können im Detail in §110 Absatz 1 EnWG nachgelesen werden. An dieser Stelle ist nur wichtig, dass die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz durch geringeren Verwaltungsaufwand Kosten reduziert.

Der DIHK weist noch darauf hin, dass im Umkehrschluss alle nicht erwähnten Vorgaben einzuhalten sind – besondere Erwähnung finden §§ 6a und 6b EnWG – die informatorische bzw. buchhalterische Entflechtung [1]. Die in §110 Absatz 4 EnWG festgesetzten Maximalgrenzen für Netzentgelte sind im Kontext dieses Projekts wenig relevant. Verkürzt ausgedrückt besagt der Absatz, dass sich die maximalen Entgelte an den Entgelten der Konkurrenznetze derselben Spannung zu orientieren haben und diese besser nicht überschreiten sollten.

Vorsicht ist bei der Entscheidung geboten, Stromversorgungsanlagen als Kundenanlage (egal welchen Typs) einzustufen: dies wird nicht durch eine Behörde geprüft und abgesegnet, sondern geschieht als Selbsteinstufung [1]. Sollte ein Gericht zur Ansicht kommen, dass diese Einstufung falsch war, droht nicht nur, dass sämtliche rechtlich vorausgesetzten regulatorische Vorgaben (ggf. auch rückwirkend) erfüllt werden müssen, sondern außerdem ein Bußgeld bis zu 100.000 Euro [1]. Es wird daher dringend empfohlen, professionelle rechtliche Beratung einzuholen, bevor leichtfertig eine Selbsteinstufung einer Kundenanlage (Typ A oder B) vorgenommen wird. Im Gegensatz dazu wird die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz von der zuständigen Regulierungsbehörde vorgenommen [1].


Kundenanlagen (§3 Nr. 24a EnWG)

Definition

Das EnWG definiert die Kundenanlage nach §3 Nr. 24a EnWG – im Weiteren auch Kundenanlage A oder Kundenanlage Typ A genannt – folgendermaßen:


„Energieanlagen zur Abgabe von Energie,

  1. die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden oder bei der durch eine Direktleitung nach Nummer 12 mit einer maximalen Leitungslänge von 5 000 Metern und einer Nennspannung von 10 bis einschließlich 40 Kilovolt Anlagen nach § 3 Nummer 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes angebunden sind,
  2. mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
  3. für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und
  4. jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden“

Begriffserklärung

Punkt a)

Bereits der erste Punkt wirft Fragen auf: Was ist ein räumlich zusammengehörendes Gebiet? Was ist eine Direktleitung nach Nummer 12? Was sind Anlagen nach Anlagen nach § 3 Nummer EEG?

Die letzte Frage kann relativ leicht beantwortet werden: Bei einer Anlage handelt es sich um eine Einrichtung zur Stromerzeugung von EE oder Grubengas. Weiterführende Informationen können dem Gesetz entnommen werden. Die genaue Bedeutung der Direktleitung ist an dieser Stelle nicht weiter relevant; kurz gefasst handelt es sich um eine Leitung von einem Energieversorger zu einem Kunden. Die exakte Definition ist dem Gesetzestext zu entnehmen. Was ein räumlich zusammengehörendes Gebiet sein soll, ist hingegen nicht gesetzlich sauber definiert worden, sondern wurde in verschiedenen Gerichtsurteilen festgestellt. Dabei steht die räumlich-regulatorische Bestimmung aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) der räumlich-optischen Bestimmung der Urteile des OLG Düsseldorf vom 14. März 2018 (VI-3 Kart 48/17 (V)) und des OLG Frankfurt vom 8. März 2018 (11 W 40/16 (Kart)) gegenüber [2].

Um eine umfassende Analyse des gesamten BGH-Urteils vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) zu vermeiden, wird hier die Zusammenfassung durch Gabler zitiert [2]:

„[Entscheidend sei, dass] sich innerhalb des durch die Anlage versorgten Gebietes keine Letztverbraucher befinden, zu deren Versorgung weitere Energieanlagen zur Abgabe von Energie eingerichtet oder notwendig seien [Hervorhebung durch Verfasser dieses Berichts]. Daneben sei die Frage unerheblich, ob sich die Energieanlage über mehrere Grundstücke erstreckt, soweit diese Grundstücke aneinandergrenzen und nicht verstreut liegen. Unschädlich sei es weiter, wenn ein so abgegrenztes Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende andere Grundstücke einschließt, welche nicht über die Energieanlage versorgt werden.“

Der Verweis, dass ein solches Gebiet Straßen umfassen könne, steht den oben erwähnten älteren Entscheidungen der OLG Düsseldorf und Frankfurt entgegen, die Straßen als trennende Elemente ansahen, sofern sie nicht ausschließlich der Erschließung des Gebiets dienten. An dieser Stelle wird auf Richter & Herms verwiesen:

„Soweit es um das Kriterium „räumlich zusammenhängendes Gebiet“ geht, stellt der BGH noch einmal dessen untergeordnete Bedeutung fest. Es handele sich insoweit nur um einen ersten „Grobfilter“. Dieser knüpfe nicht an die räumliche Ausdehnung oder die Einheitlichkeit des äußeren Eindrucks an. Maßgeblich sei vielmehr, inwieweit die räumlichen Verhältnisse einen konkreten Bezug zu den Regulierungszielen aufwiesen.“ [4]

Zusammenfassend wird der entscheidende Teil des BGH-Urteils hier im Wortlaut zitiert (Hervorhebungen durch den Verfasser dieses Berichts):

„§ 3 Nr. 24a Buchst. a EnWG [stellt] darauf ab, ob das von der Energieanlage erfasste Gebiet in dem Sinne räumlich abgegrenzt und geschlossen ist, dass sich innerhalb des durch die Anlage versorgten Gebietes keine Letztverbraucher befinden, zu deren Versorgung weitere Energieanlagen zur Abgabe von Energie eingerichtet oder notwendig sind. Dies ist bei der in der Gesetzesbegründung genannten Hausanlage (BT-Drucks. 17/6072, S. 51) in idealtypischer Weise verwirklicht; zusätzliche Stromleitungen sind hier weder erforderlich noch (sinnvoll) möglich. Dies gilt in gleicher Weise, wenn sich die Energieanlage über mehrere Grundstücke erstreckt und diese Grundstücke so gut wie ausschließlich über diese Anlage versorgt werden, sofern die Grundstücke aneinander angrenzen und nicht verstreut liegen und auf diese Weise ein geschlossenes, von den äußeren Grundstücksgrenzen begrenztes Gebiet darstellen. Unschädlich ist es, wenn ein so abgegrenztes Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende andere Grundstücke einschließt, welche nicht durch die Energieanlage versorgt werden.“ BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18)

Punkt b)

Punkt b) sollte selbsterklärend sein: die Kundenanlage Typ A muss entweder direkt mit einem Kraftwerk verbunden oder an ein Stromnetz (das die Energieversorgung ermöglicht) angebunden sein.

Punkt c)

Punkt c befasst sich mit der „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs“. Dies ist wiederum ein kritischer Punkt, zu dem das zuvor zitierte BGH-Urteil glücklicherweise aber ebenfalls mehr Klarheit verschafft hat. Auch hierzu wird wieder Gabler zitiert:

„Eine Kundenanlage dürfe lediglich dem Zugang der angeschlossenen Letztverbraucher an das vorgelagerte Netz der allgemeinen Versorgung dienen. Der Transport von Energie sei hingegen dem regulierten Netz vorbehalten. Eine Energieanlage sei daher nur dann für den Wettbewerb unbedeutend, wenn sie weder in technischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Ausmaß erreicht, das Einfluss auf den Versorgungswettbewerb und die durch die Regulierung bestimmte Lage des Netzbetreibers haben kann. Maßgeblich für diese Beurteilung sollen insoweit neben der Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher auch die Menge der durchgeleiteten Energie sowie die geographische Ausdehnung der Energieanlage sein.“ [2]

Das BGH liefert sogar exakte Zahlen zur Orientierung mit:

„Danach scheide – vorbehaltlich der durch den Tatrichter jeweils durchzuführenden Gesamtwürdigung – im Regelfall eine Einordnung als für den Wettbewerb unbedeutend aus, wenn mehrere hundert Letztverbraucher angeschlossen sind, die Energieanlage eine Fläche von deutlich über 10.000 m² versorgt, die jährliche Menge durchgeleiteter Energie voraussichtlich 1.000 MWh deutlich übersteigt und mehrere Gebäude angeschlossen sind. Bleibt die Energieanlage hingegen in mehreren dieser Punkte hinter den genannten Werten zurück, soll es sich regelmäßig um eine für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutende Kundenanlage handeln.“ [2]

Wichtig ist hierbei das „und“ in der Aufzählung sowie der Verweis auf die Gesamtwürdigung: Eine der vier Kategorien zu reißen, schließt nicht das Vorliegen einer Kundenanlage aus, wie auch der letzte Satz zeigt. Andererseits besteht aber zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass selbst bei einer Überschreitung aller vier Kategorien immer noch eine Kundenanlage vorliegt, da der Einzelfall entscheidet.

Im besagten BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) wird anschließend noch richtiggestellt, dass für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs der Vergleich der Kundenanalage zur insgesamt in Deutschland gehandelten Energie oder zur Größe des vorgelagerten Netzbetreibers irrelevant sei.

„Hingegen kommt es nicht auf einen Vergleich der Kundenanlage zu den in Deutschland insgesamt gehandelten und verbrauchten Energiemengen an (anders Jacobshagen/Kachel in Danner/Theobald, Energierecht, 2015, § 110 EnWG Rn. 37). Ebensowenig ist erforderlich, dass die Energieanlage nach ihrer Größe eine Spürbarkeitsschwelle im Verhältnis zum vorgelagerten Netzbetreiber (vgl. Helmes, EnWZ 2013, 23, 25; Thomale/Berger, EnWZ 2018, 147, 149 f.) etwa von 10 % oder auch geringer – überschreitet, um nicht mehr als unbedeutend für den Wettbewerb angesehen werden zu können.“ BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18)

Punkt d)

Punkt d) besagt sinngemäß, dass die Kundenanlage jedem Energielieferanten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss und die Letztverbraucher die freie Wahl des Lieferanten haben. Der DIHK fasst zusammen, dass keine Exklusivitätsvereinbarung zwischen Anlagenbetreiber und Stromversorger vorliegen sowie keine nutzungsabhängigen Entgelte für die Anlage verlangt werden dürfe [1]. Eine nutzungsunabhängige Abrechnung (z.B. als Teil eines Mietvertrags) sei jedoch gestattet [1]. Der DIHK verweist weitergehend auf ein BGH-Urteil vom 18. Oktober 2011 (EnVR 68/10), in dem festgestellt wurde, dass ein Campingplatz keine Kundenanlage betreibe, der Strom einkaufte und an seine Kunden weiterverkaufte, was den Betreiber der Anlage in den Augen der Richter zu einem Stromhändler machte [1].

„Zentrales Kriterium ist nach Buchst. d), dass die Anlage jedermann zur Belieferung der Letztverbraucher mit Strom diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Jedenfalls diese Voraussetzung liegt bei der Anlage der Betroffenen nicht vor, weil sie den Platzmietern nicht die Wahl des Stromlieferanten überlässt, sondern vielmehr selbst als Stromversorgerin auftritt und den in Anspruch genommenen Strom direkt und gesondert gegenüber diesen abrechnet.“ – BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 – EnVR 68/10


Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung (§3 Nr. 24b EnWG)

Der Gesetzgeber definiert Kundenanlagen Typ B folgendermaßen:

„Energieanlagen zur Abgabe von Energie,

  1. die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden oder bei der durch eine Direktleitung nach Nummer 12 mit einer maximalen Leitungslänge von 5 000 Metern und einer Nennspannung von 10 bis einschließlich 40 Kilovolt Anlagen nach § 3 Nummer 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes angebunden sind,
  2. mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
  3. fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen oder fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen und
  4. jedermann zum Zwecke der Belieferung der an sie angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden“

Begriffserklärung

Diese Definition ist mit der vorherigen Definition der Kundenanlage Typ A in allen Punkten (beinahe) identisch bis auf Punkt c: Eine für den Wettbewerb unbedeutende Versorgung wird nicht mehr gefordert, stattdessen jedoch, dass das Netz fast ausschließlich das eigene (oder verbundene [siehe Endnote 1]) Unternehmen versorge – alternativ, dass es fast ausschließlich dem Abtransport von Energie diene. Der letzte Teil ist für Kraftwerksbetreiber relevant [1]. Gemäß der Bundesnetzagentur bedeutet „fast ausschließlich“, dass die an Dritte abgegebene Energie im jährlichen Mittel, abhängig vom Einzelfall, 5 bis 10% nicht überschreiten dürfe [3]. Positionspapiere von Behörden stellen grundsätzlich nur Einschätzungen dar und sind nicht rechtlich bindend; zumindest in diesem Fall fällt eine deutlich abweichende Interpretation des Gesetzestexts jedoch schwer.

Bezüglich Punkt a) muss darauf hingewiesen werden, dass das räumlich zusammengehörende Betriebsgebiet offenbar nicht identisch mit dem räumlich zusammengehörenden Gebiet aus Nr. 24a ist. Gerichtsurteile zur Klarstellung konnten nicht gefunden werden, was umgekehrt jedoch darauf hindeutet, dass die Definition in der Praxis nicht relevant ist. Aus dem Gesetzesentwurf des deutschen Bundestages geht hervor, dass das räumlich zusammengehörende Betriebsgebiet „sich über weite Flächen erstrecken [kann] und […] nicht nur kleine Betriebsgelände erfassen“ solle [6]. Da die Anlage eh fast ausschließlich ein Unternehmen beliefern muss, sollte Punkt a) in der Praxis keine Probleme entfalten.

Punkt d) ist faktisch identisch mit Punkt d) aus dem vorherigen Abschnitt. Auch wenn Urteile zur Kundenanlage Typ A grundsätzlich nicht auf die Kundenanlage Typ B übertragbar sind [2], liegt die Vermutung nahe, dass dieser Punkt identisch ausgelegt werden wird [1].


Geschlossene Verteilernetze (§110 EnWG)

Zu Geschlossenen Verteilernetzen findet sich im EnWG mit §110 ein eigener Paragraph, der aufgrund seiner Länge hier nur in den Teilen zitiert wird, die für die Einstufung relevant sind.

„(2) Die Regulierungsbehörde stuft ein Energieversorgungsnetz, mit dem Energie zum Zwecke der Ermöglichung der Versorgung von Kunden in einem geografisch begrenzten Industrie- oder Gewerbegebiet oder einem Gebiet verteilt wird, in dem Leistungen gemeinsam genutzt werden, als geschlossenes Verteilernetz ein, wenn

  1. die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer dieses Netzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind oder
  2. mit dem Netz in erster Linie Energie an den Netzeigentümer oder -betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt wird; maßgeblich ist der Durchschnitt der letzten drei Kalenderjahre; gesicherte Erkenntnisse über künftige Anteile sind zu berücksichtigen.

Die Einstufung erfolgt nur, wenn keine Letztverbraucher, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, über das Netz versorgt werden oder nur eine geringe Zahl von solchen Letztverbrauchern, wenn diese ein Beschäftigungsverhältnis oder eine vergleichbare Beziehung zum Eigentümer oder Betreiber des Netzes unterhalten.

[…]

(4) Jeder Netznutzer eines geschlossenen Verteilernetzes kann eine Überprüfung der Entgelte durch die Regulierungsbehörde verlangen; § 31 findet insoweit keine Anwendung. Es wird vermutet, dass die Bestimmung der Netznutzungsentgelte den rechtlichen Vorgaben entspricht, wenn der Betreiber des geschlossenen Verteilernetzes kein höheres Entgelt fordert als der Betreiber des vorgelagerten Energieversorgungsnetzes für die Nutzung des an das geschlossene Verteilernetz angrenzenden Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung auf gleicher Netz-oder Umspannebene; grenzen mehrere Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung auf gleicher Netz- oder Umspannebene an, ist das niedrigste Entgelt maßgeblich. § 31 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 32 Absatz 1 und 3 bis 5 finden entsprechend Anwendung.“

Ähnlich wie bei der Kundenanlagen B muss auch beim Geschlossenen Verteilernetz ein geographisch begrenztes Industrie- oder Gewerbegebiet vorliegen. Urteile zur Klarstellung konnten hierzu nicht gefunden werden, allerdings führt der DIHK aus, dass das Gebiet als Einheit erscheinen und in einem in sich geschlossenen Gelände liegen müsse sowie erhebliche Ausmaße umfassen dürfe (s.o.); ein Indiz für das Vorliegen eines Geschlossenen Verteilernetzes sei zudem ein gemeinsamer Werkszaun [1].

Sofern das Vorliegen eines geographisch begrenzten Gebietes erfüllt ist, was in der Praxis selten Probleme zu bereiten scheint, muss mindestens eine von zwei weiteren Bedingungen erfüllt sein: Die Anschlussnutzer müssen aus technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sein oder aber die verteilte Energie wird in erster Linie vom Netzeigentümer/ -betreiber (oder verbundenen Unternehmen) abgenommen.

  • Technische oder sicherheitstechnische Verknüpfung

Gemäß dem Positionspapier der Bundesnetzagentur liegt eine technische Verknüpfung vor, „wenn die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren in technischer Hinsicht aufeinander aufbauen“ [3]. Eine technische Verknüpfung sei insbesondere dann gegeben „wenn die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer eine Wertschöpfungskette bilden und die einzelnen Anschlussnutzer zueinander in einem Verhältnis von Zulieferer und Abnehmer stehen“ wobei die zentrale Versorgung mit Energie explizit nicht ausreichend sei [3]. 

Die Bundesnetzagentur nimmt hier klar Bezug auf eine Art Wertschöpfungskette. Dieser Interpretation widerspricht Hartmann, der darauf hinweist, dass die in EU-Richtlinien genannten Geschlossenen Verteilernetze (u.a. Bahnhofsgebäude, Flughäfen, Krankenhäuser, große Campingplätz) ohne Schwierigkeiten von der Definition abgedeckt werden müssten [5]. Dies erscheint bei dem Fokus auf Wertschöpfungsketten fraglich. Hartmann vertritt stattdessen die Position, dass (bei richtlinienkonformer Auslegung) gemeinsame Infrastrukturnutzung und die entsprechende technische Verknüpfung ausreichen sollte [5].

Bezüglich der sicherheitstechnischen Verknüpfung zielt die Bundesnetzagentur auf Anforderungen der Energieabnehmer an das Netz ab, die vom öffentlichen Netz nicht erbracht werden, wie z.B. Notstromversorgung/Inselbetriebsfähigkeit, Schwarzstartfähigkeit oder besondere Anforderungen an Überspannungsschutz etc. [3].

Sowohl bezüglich der technischen als auch der sicherheitstechnischen Anforderungen besagt das Positionspapier, dass eine entsprechende Prägung ausreiche [3]. Somit sei es nicht relevant, wenn einzelne Tätigkeiten, Produktionsverfahren oder Anschlussnutzer den Anforderungen nicht entsprächen [3].

  • Eigenversorgung

Im Gegensatz zur Kundenanlage B, bei der der Energietransport „fast ausschließlich“ dem eigenen (oder verbundenen) Unternehmen dienen muss, reicht bei dem Geschlossenen Verteilernetz, wenn dies „in erster Linie“ geschieht. Die Bundesnetzagentur definiert nicht exakt, wann dies der Fall ist, sie definiert aber umgekehrt, dass bei einer Versorgung von weniger als 50% auf jeden Fall nicht von einem Geschlossenen Verteilernetz ausgegangen werden könne [3].

Der nächste Abschnitt besagt, dass das Netz nur eine geringe Zahl an Haushaltskunden beliefern dürfe und auch nur dann, wenn diese ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Netzeigentümer /-betreiber innehätten [1]. Die Grenze für eine geringe Anzahl müsse laut Bundesnetzagentur relativ zur Größe des Geländes als auch absolut gering sein. Dabei sei eine absolute geringe Zahl bei mehr als 20 Haushalten regelmäßig überschritten [3]. Auch hier widerspricht Hartmann, der darauf hinweist, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass auch 30-stöckige Werkswohnungen mit 20 Wohneinheiten pro Etage auf den Arealen Geschlossener Verteilernetze stünden [5].

Absatz 4 bezieht sich auf die Nutzungsentgelte und stellt sozusagen das Äquivalent zu Punkt d) der Kundenanlagen dar. Sinngemäß besagt dieser Punkt, dass der Betreiber des Geschlossenen Verteilernetzes keine höheren Entgelte verlangen darf/ sollte als die öffentlichen Netze derselben Spannung, die an dasselbe vorgelagerte Netz angeschlossen sind; bei mehreren Netzen gilt das niedrigste Entgelt.


Entscheidungsbaum

Der DIHK hat einen Entscheidungsbaum erarbeitet, der Verantwortlichen bei der Einstufung ihrer Netze als Kundenanlage A, Kundenanlage B, geschlossenes Verteilernetz oder Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung hilft [1]. Der Entscheidungsbaum ist nützlich, benötigt aber Vorwissen:

  1. Um die Frage nach der Bedeutung für den Wettbewerb beantworten zu können, müssen die Richtlinien zu den Grenzwerten aus dem BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) bekannt sein (vgl. Sektionen 2 und 4).
  2. Um die Frage nach dem räumlich zusammengenhörenden Gebiet beantworten zu können, sollten u.a. die Ausführungen aus dem BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) bekannt sein (vgl. Sektionen 2 und 4).
  3. Um die Frage nach den verknüpften Tätigkeiten beantworten zu können, sollten u.a. das Positionspapier der Bundesnetzagentur bekannt sein (vgl. Sektion 2).

In manchen Belangen ist der Entscheidungsbaum unklar formuliert oder nicht mehr aktuell:

1. Die Frage nach dem räumlichen Zusammenhang ist seit Dezember 2023 nicht mehr ausreichend. Seitdem besteht für Kundenanlagen beider Typen die Möglichkeit, dass anstelle eines räumlichen Zusammenhangs auch eine bis zu 5km lange Direktleitung das Netz mit einer EE-Anlage verbindet (vgl. Sektion 2).

2. Die Frage nach dem betrieblichen Gebiet führt an dieser Stelle in die Irre. Es gibt kein Gesetz, das besagt, dass eine Kundenanlage nach Nr. 24a keine Betriebe versorgen dürfe. Der zugrundeliegende Gesetzesentwurf besagt zwar in Bezug auf Kundenanlagen Typ A: „eng begrenzte „Hausanlagen“ innerhalb von Gebäuden oder Gebäudekomplexen stellen in der Regel Kundenanlagen dar“ [6]. Allerdings besagt dieser Text nicht, dass diese Hausanlagen nicht gewerblich genutzt werden dürfen. Dazu kommt, dass der Text im nächsten Satz aussagt, dass Kundenanlagen Typ A sich auch außerhalb von Gebäuden über ein größeres Grundstück erstrecken dürfen [6]. Dieses Beispiel wird zudem im Bereich „geografische Ausdehnung“ behandelt und dieser wiederum im Bereich „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs“ – also bezogen auf §3 Nr. 24a Buchstabe c) EnWG (vgl. Sektion 2).

Da die Frage nach dem Wettbewerb im Entscheidungsbaum an späterer Stelle aber noch einmal explizit gestellt wird und aufgrund des BGH-Urteils vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) inzwischen klare Richtlinien vorliegen, ab wann ein Netz nicht mehr als Kundenanlage Typ A gelten kann, ist die Frage nach dem betrieblichen Gebiet an dieser Stelle weitestgehend redundant: Im besten Fall dient sie als Grobfilter, im schlimmsten Fall sorgt sie für Verwirrung, da die Frage nach der Bedeutung für den Wettbewerb alles Wesentliche erfasst. Die Frage nach dem betrieblichen Gebiet ist jedoch offenbar eine Voraussetzung, für die Kundenanlage B, da in §3 Nr. 24b Buchstabe c) EnWG ausschließlich auf betriebsnotwendigen Transport bzw. Abtransport von Energie Bezug genommen wird. Das Geschlossene Verteilernetz setzt nach §110 Absatz 2 EnWG zwar nicht zwangsläufig ein Industrie- oder Gewerbegebiet voraus – alternativ wird auch ein Gebiet akzeptiert, indem „Leistungen gemeinsam genutzt werden“.

In demselben Absatz (vgl. Sektion 2) wird aber verlangt, dass maximal eine geringe Anzahl Letztverbraucher mit Energie zum Eigenverbrauch im Haushalt beliefert werden dürfe – und auch dann nur bei Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Netzeigentümer oder -betreiber. Offenbar ist das Vorliegen eines betrieblichen Gebietes also mindestens implizit Voraussetzung für die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz. Gemäß DIHK gelten Bahnhofsgebäude, Flughäfen, Krankenhäuser, große Campingplätze mit integrierten Anlagen sowie Standorte der Chemieindustrie als idealtypische Vertreter geschlossener Verteilernetze. All diese Vertreter können zumindest im weiteren Sinne als betriebliche Gebiete im Gegensatz zu Wohngebieten verstanden werden.

3. Eine Antwort mit „ja“ auf die Frage nach Versorgung von Haushalten führt im Entscheidungsbaum automatisch zum Ausschluss von der Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz. Wie der DIHK im Fließtext korrekt beschreibt, ist dies jedoch nicht der Fall, wenn es sich um wenige Wohnungen handelt und die Bewohner in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmen des Netzbetreibers stehen [1]. Wie viele Wohnungen im Einzelfall wenige Wohnungen darstellen und ob die vorgeschlagene Zahl von 20 Wohnungen zu tief gegriffen ist, entscheidet natürlich die Regulierungsbehörde oder im Falle eines Rechtsstreits ein Richter.

4. Die Option, eine Kundenanlage B zum Abtransport von Energie zu nutzen, wird vom Entscheidungsbaum nicht gegeben.

Abbildung 01

Grafik übernommen aus dem Merkblatt des DIHK [1]

Ein Entscheidungsbaum wird immer Vorwissen benötigen, ansonsten würde er seinen Sinn verfehlen. Dahingehend besteht kein Anpassungsbedarf. Allerdings sollten die aktuelle Gesetzesänderung bzgl. der Direktleitung als Alternative zum räumlichen Zusammenhang abgebildet werden. Aufgrund der inzwischen genauer ausformulierten Richtlinien bzgl. der Bedeutung für den Wettbewerb sollte die Frage nach dem betrieblichen Gebiet an der bisherigen Stelle entfallen

(siehe Endnote 2).

Andererseits stellt das Vorliegen eines betrieblichen Gebietes im Gegensatz zu einem Wohngebiet anscheinend mindestens eine implizite Voraussetzung für das Vorliegen eines Kundenanlage B sowie eines Geschlossenen Verteilernetzes dar, weshalb die Bejahung der Frage nach dem betrieblichen Gebiet als Voraussetzung zur Einstufung dieser beiden Ergebnisse vorausgesetzt werden sollte. Eine Präzisierung der Frage nach den Haushalten kann als optional angesehen werden, da Vorwissen auch in diesem Bereich vorausgesetzt werden kann. Dasselbe gilt für die Option eines Kraftwerkbetreibers, die Kundenanlage B zum Energieabtransport zu nutzen. Im Rahmen dieses Projekts hat sich der Verfasser entschieden, die beiden optionalen Ansätze ebenfalls abzubilden:

Abbildung 02

Grafik aus dem Merkblatt des DIHK [1], erweitert um eigene Darstellung

Der aktualisierte Entscheidungsbaum umfasst alle oben diskutierten Verbesserungsansätze. Auf Grundlage dieses aktualisierten Baums wurde der unten beschriebene Anwendungsfall bearbeitet.


Anwendungsfall

Der konkrete Anwendungsfall bei Nordernergie#AI betraf zwei unabhängige Netze: einen Photovoltaikanlagenbetreiber und ein Kaufhaus. Beide sind ca. 15km voneinander entfernt. Für den Photovoltaikanlagenbetreiber (siehe Endnote 3) stellt sich die Sachlage folgendermaßen dar: Gemäß den Schilderungen des Geschäftsführers der Nordenergie#AI handele es sich um ein räumlich zusammenhängendes Gebiet. Da das Netz keinen Stromabnehmer anschließe, stellt sich die Frage nach Entgelten und Diskriminierungsfreiheit nicht. Bezüglich der Frage nach der Bedeutung für den Wettbewerb gibt es vier Kategorien zu beachten (vgl. Sektion 2):

  • Anzahl der Letztverbraucher
  • Anzahl der Gebäude
  • Jährlicher Stromverbrauch
  • Größe des Netzes

Eine Einstufung als Kundenanlage, scheidet gemäß BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) regelmäßig aus, wenn alle der folgenden vier Richtwerte gerissen werden

  • Mehrere hundert Letztverbraucher
  • Mehrere angeschlossene Gebäude
  • Jährlicher Verbrauch deutlich höher als 1GWh
  • Netz deutlich größer als 10.000 m²

Hingegen sei laut demselben Urteil die Einstufung als Kundenanlage regelmäßig unbedenklich, wenn sie in „mehreren“ Punkten hinter diesen Werten zurückbleibe (vgl. Sektion 2). Da das Netz eine erhebliche Fläche von 50 bis 100 Hektar abdecke und die prognostizierte Stromerzeugung bei 50 bis 100 GWh im Jahr liege, werden die letzten beiden Kategorien übertroffen. Da weder Letztverbraucher noch Gebäude angeschlossen seien, sind „mehrere“ Punkte nicht erfüllt. Somit wäre es denkbar, auf die Einstufung einer Kundenanlage A zu plädieren. Wichtig ist hier jedoch zu beachten, dass die Gesamtwürdigung entscheidend ist. Die Ausführungen des Gesetzgebers bzgl. der geographischen Ausdehnung der Kundenanlagen A

„Geografisch eng begrenzte „Hausanlagen“ innerhalb von Gebäuden oder Gebäudekomplexen stellen in der Regel Kundenanlagen dar. Möglich ist im Einzelfall auch, dass sich eine Kundenanlage außerhalb von Gebäuden über ein größeres Grundstück erstreckt.“ [6]

sowie B

„Geografisch eng begrenzte „Hausanlagen“ innerhalb von Gebäuden oder Gebäudekomplexen stellen in der Regel Kundenanlagen dar. Möglich ist im Einzelfall auch, dass sich eine Kundenanlage außerhalb von Gebäuden über ein größeres Grundstück erstreckt.“[6]

legen nahe, dass mit einem „größeren Grundstück“ keine quadratkilometergroßen Flächen gemeint waren. Unabhängig von allen Richtwerten fällt es zudem schwer, eine Energieabgabe von 50GWh im Jahr als „unbedeutend“ für den Wettbewerb zu beurteilen. Die Annahme liegt nahe, dass dieser Punkt allein vor Gericht ausreichen dürfte, um Bedeutsamkeit für den Wettbewerb festzustellen. Aus diesen Gründen sind die Workshop-Teilnehmer zum Schluss gekommen, dass von einer Bedeutsamkeit des Wettbewerbs auszugehen ist. Ein betriebliches Gebiet liegt offensichtlich vor und da das Netz ausschließlich dem Stromabtransport dient (und die Frage nach Entgelten bereits verneint wurde) liegen offenbar die Voraussetzungen für eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung vor.

Abbildung 03

Etwas schwieriger gestaltet sich die Bestimmung für das Kaufhaus. Auch hier liege gemäß den Schilderungen zweifellos ein räumlich zusammenhängendes Gebiet vor. Das Kaufhaus, das das interne Netz – wobei es sich um die im Kaufhaus verlegte Kabel handelt – betreibe, kaufe selbst keinen Strom ein. Der Strom solle von einer Energiegenossenschaft eingekauft werden, die aus den Mietern des Kaufhauses bestehen werde. Eine verbrauchsabhängige Vergütung (ein Netzentgelt) der Mieter an das Kaufhaus sei ebenfalls nicht geplant – die Infrastruktur sei Teil der Miete. Somit liegen keine Entgelte vor.

Da gemäß den Ausführungen der NordEnergie#AI die Mieter unabhängig vom Kaufhaus Teil der Energiegenossenschaft werden und ihren Stromanbieter somit selbstständig wählen würden, liegt auch keine Diskriminierung seitens des Netzbetreibers vor. Somit stellt sich als nächstes die Frage nach dem Wettbewerb. Erneut sind die vier zuvor vermerkten Kategorien entscheidend, ob Bedeutung für den Wettbewerb vorliegt:

  • Anzahl der Letztverbraucher
  • Anzahl der Gebäude
  • Jährlicher Stromverbrauch
  • Größe des Netzes

Und erneut werden die Richtlinien gemäß BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) zugrunde gelegt, nach denen die Einstufung als Kundenanlage A regelmäßig ausscheide, wenn alle der folgenden vier Richtwerte gerissen würden:

  • Mehrere hundert Letztverbraucher
  • Mehrere angeschlossene Gebäude
  • Jährlicher Verbrauch deutlich höher als 1GWh
  • Netz deutlich größer als 10.000 m²
Abbildung 04

Die zukünftig abgenommene Strommenge solle laut Nordenergie#AI bei 5 GWh pro Jahr und die Grundfläche bei ca. 100.000 m² liegen, womit das Kaufhaus diese beiden Werte eindeutig reißt. Es handelt sich auch nicht nur um ein Gebäude, sondern um einen Gebäudekomplex und weitere auf dem Grundstück verstreut stehende weitere Gebäude. Die Anzahl der Letztverbraucher liegt jedoch bei ca. 50 und damit weit unter der kritischen Schwelle. Damit ist nur ein Punkt erfüllt, was „mehreren“ Punkten nicht entspricht. Somit fällt die Situation in eine Grauzaune. 

Wie immer entscheidet natürlich die Gesamtwürdigung. Der DIHK stuft Einkaufszentren als idealtypisch für Kundenanlagen vom Typ A ein [1]. Andererseits ist die Stromabnahme von 5 GWh im Jahr enorm und entspricht dem Stromverbrauch von rund 1.000 4-Personen-Haushalten [7]. Dazu kommt, dass die Verkaufsfläche des Kaufhauses mit 120.000 m² fast viermal über dem Durchschnittswert liegt [8]. 

Zahlen zum durchschnittlichen Stromverbrauch von Kauhäusern konnten nicht gefunden werden. Das Anlegen einer naiven Schätzung lässt vermuten, dass der Durchschnittsverbrauch bei ca. einem Viertel liegen sollte, womit beim typischen Kaufhaus die Grenze von 1 GWh Strombedarf pro Jahr nur leicht überschritten würde. Die Einstufung des DIHK von Kaufhäusern als typisch für Kundenanlagen Typ A könnte somit für dieses ungewöhnlich große Kaufhaus nicht mehr zutreffend sein. Dazu kommt die enorme geographische Ausdehnung des Netzes über rund 100.000 m². Kundenanlagen sind definiert als „Energieanlagen zur Abgabe von Energie“. Eine Anlage dieser Ausmaße könnte aber gemäß §3 Nr. 15 EnWG als Anlage zur Fortleitung von Energie interpretiert werden. Eine Einstufung des fraglichen Kaufhauses als relevant für den Wettbewerb ist somit zwar nicht sicher, aber auch nicht auszuschließen.

Anmerkung: Ein erster Durchlauf mit einer älteren Version des Entscheidungsbaums, die die Frage nach dem betrieblichen Gebiet beinhaltete, kam zum Ergebnis, dass die Einstufung als Kundenanlage nach §3 Nr. 24a EnWG ausscheide, da das Vorliegen eines betrieblichen Gebietes sofort eindeutig bejaht wurde. Da der DIHK aber, wie oben erwähnt, selbst Kaufhäuser als idealtypische Kandidaten für Kundenanlagen A ansieht, zeigt das, wie verwirrend die Frage nach dem betrieblichen Gebiet an erster Stelle ist.

Für den Fall, dass ein Rechtsgutachten zum Schluss kommen sollte, dass keine Kundenanlage nach Nr. 24a vorliege, weil z.B. Bedeutung für den Wettbewerb bestehen sollte, wird es schwierig. Die Frage nach dem betrieblichen Gebiet kann noch problemlos positiv beantwortet werden. Doch das Kaufhaus als Netzbetreiber nehme gemäß den Ausführungen des Projektpartners nur einen Bruchteil der insgesamt abgenommenen Energie ab: der Hauptanteil wird von den Geschäften des Kaufhauses abgenommen. Eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung scheidet somit aus, da diese überwiegend das netzbetreibende Unternehmen zu versorgen hat. Es bleibt also nur das Geschlossene Verteilernetz als Option übrig.

Da auch hier das Kriterium der überwiegenden Eigenversorgung nicht erreicht wird, stellt sich die Frage nach den verknüpften Tätigkeiten. Die sicherheitstechnische Verknüpfung ist offensichtlich nicht gegeben, womit nur die technische übrigbleibt. Hier stehen sich dann das Positionspapier der Bundesnetzagentur und die Rechtsauslegung Hartmanns gegenüber. Gemäß dem Positionspapier liegt die Interpretation nahe, dass Geschäfte in einem Kaufhaus nicht als technisch verknüpft angesehen würden, da sie keine aufeinander aufbauende Wertschöpfungskette bilden [3]. Auf der anderen Seite reiche nach Ansicht Hartmanns bereits „die Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur und die entsprechende technische Verknüpfung“ für eine Einstufung als verknüpfte Tätigkeiten aus [5].

Im Fall einer widerstreitenden Rechtsauffassung müsste diese ggf. vor Gericht ausgetragen werden. Möglicherweise könnte aber auch gegenüber der Regulierungsbehörde argumentiert werden, dass aus Kundensicht die Geschäfte sehr wohl „eine Wertschöpfungskette bilden und die einzelnen Anschlussnutzer zueinander in einem Verhältnis von Zulieferer und Abnehmer stehen“ [3], wobei der Kunde das Produkt darstellt und somit eine technische Verknüpfung vorliegt. Sollte die Regulierungsbehörde dieser Argumentation folgen oder anderweitig zum Schluss kommen, dass doch eine technische Verknüpfung vorliege, wäre die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz naheliegend; Haushalte werden nämlich keine beliefert. Demnach hängt die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz oder Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung an der Interpretation der „verknüpften Tätigkeiten“ durch die lokale Prüfstelle.

Eine letzte Überlegung lautete, ob die Energiegenossenschaft nicht auch das Kaufhausnetz betreiben könne, um damit formell das Kriterium des fast ausschließlichen Eigenverbrauchs zu erfüllen. Wenn die Energiegenossenschaft das Netz diskriminierungsfrei allen Mietern – auch denen, die nicht Teil der Genossenschaft sind – zur Verfügung stellte, sollte sogar eine Einstufung als Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung möglich sein, mindestens aber als Geschlossenes Verteilernetz. Und genau da liegt das Problem: Wäre das möglich, könnte die Anforderung der fast ausschließlichen Eigenversorgung bzw. der Eigenversorgung in erster Linie leicht ausgehebelt werden. Die Vermutung liegt daher nahe, dass eine solche Konstruktion vor Gericht keinen Bestand haben wird.

Abbildung 05

Aufgrund der oben angestellten Überlegungen hat sich im Rahmen der gemeinsamen Workshops die Auffassung durchgesetzt, dass die beste Vorgehensweise darin bestehe, eine Einstufung als Kundenanlage nach §3 Nr. 24a EnWG anwaltlich prüfen zu lassen und zusätzlich einen Antrag auf die Einstufung als Geschlossenes Verteilernetz vorzubereiten. Sollte die Einstufung als Kundenanlage A entweder von rechtskundiger Seite nicht empfohlen oder aber trotz Empfehlung eines Tages vor Gericht aberkannt werden, kann der Antrag gestellt und das Netz unverzüglich als Geschlossenes Verteilernetz weiterbetrieben werden. Denn laut § 110 Abs. 3 Satz 3 EnWG gilt das Netz „ab vollständiger Antragstellung bis zur Entscheidung der Regulierungsbehörde als geschlossenes Verteilernetz“.


Fazit

In diesem Projekt wurde der vom DIHK entworfene Entscheidungsbaum aktualisiert und weiter ausgebaut. Der aktualisierte Entscheidungsbaum wurde im Rahmen zweier realer Beispiele angewandt. In Bezug auf den PV-Betreiber fand auch eine der Erweiterungen des Entscheidungsbaums – der Verweis, dass die Kundenanlage nach Nr. 24b auch dem Abtransport von Energie dienen darf – Anwendung. Darüber hinaus hatte eine vergleichende Verwendung des unangepassten Baums gezeigt, dass die Frage nach dem betrieblichen Gebiet an der Originalstelle fälschlicherweise initial bejaht wurde, was in dem alten Baum die Einstufung eines jeden Kaufhauses – auch solchen mit Flächen von bis zu 10.000 m² und jährlichem Energiebedarf bis 1 GWh – als Kundenanlage Typ A verunmöglicht hätte, obwohl auch der DIHK Kaufhäuser als idealtypische Kundenanlagen A betrachtet [1].

Das Verschieben der Frage nach dem betrieblichen Gebiet sollte diesem Umstand Rechnung getragen haben. Die Vermeidung von Netzentgeltkosten stand bei diesem Anwendungsfall nicht im Fokus, dafür aber die Vermeidung von Regulierungsaufwand. Nichtsdestotrotz können die hier gewonnenen Erkenntnisse selbstverständlich auf viele Arten genutzt werden. Eine nennenswerte Weiterentwicklung im Rahmen dieses Projekts stellt neben dem angepassten Entscheidungsbaum der Verweis auf das BGH-Urteil vom 12. November 2019 – EnVR 65/18 dar, in welchem weitere Richtlinien zum „räumlich zusammengehörenden Gebiet“ und insbesondere auch Richtwerte zu den vier für eine „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs“ relevanten Kategorien aufgestellt wurden.


Endnoten

1: Was ein verbundenes Unternehmen ist, wird nicht weiter definiert. Anscheinend bezieht sich der Term aber auf § 15 Aktiengesetz (AktG). Laut Bundesnetzagentur gilt diese Definition zumindest bei Geschlossenen Verteilernetzen [3]. Damit handelt es sich um rechtlich eigenständige Unternehmen, „die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG), Konzernunternehmen (§ 18 AktG), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19 AktG) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292 AktG)“ [3].

2: Da das Merkblatt des DIHK 2017 publiziert wurde, konnte den Verfassern das BGH-Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) nicht bekannt sein.

3: Rechtlich gesehen stellt jedes einzelne Solarpanel eine Energieanlage dar.


Haftungsausschluss

Dieses Projekt inklusive dieses Abschlussberichts wurde von juristischen Laien durchgeführt. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Dieses Projekt dient als Anlaufpunkt, um sich mit dem Thema auf Grundlage der zitierten Quellen vertraut zu machen.

Dieser Abschlussbericht dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Rechtsgutachten, keine rechtliche Beratung oder ähnliche rechtsverbindliche Stellungnahme dar. Die Inhalte des Berichts wurden nach bestem Wissen und unter Berücksichtigung der verfügbaren Informationen erstellt, jedoch ohne Gewähr. Jegliche Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der bereitgestellten Informationen ist ausgeschlossen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei rechtlichen Fragestellungen eine individuelle Beratung durch einen qualifizierten Rechtsanwalt erforderlich ist [1].


Quellen

[1] Deutscher industrie- und handelskammertag, „Merkblatt Kundenanlage und geschlossenes Verteilernetz: Abgrenzungen | Voraussetzungen | Empfehlungen“, Berlin, 2017.

[2] A. Gabler, „BGH konkretisiert Begriff der Kundenanlage“, [Online] verfügbar unter: https://www.hoffmannliebs.de/kundenanlage/. Zugriff am 12. Dezember 2024.

[3] Bundesnetzagentur, „Gemeinsames Positionspapier der Regulierungsbehörden der Länder und der Bundesnetzagentur zu geschlossenen Verteilernetzen gem. § 110 EnWG“, [Online] verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/EntflechtungKonzession/GeschlosseneVerteilernetze/LeitfadenGeschlVerteilernetze/LeitfadenGeschlVerteilernetze.pdf?__blob=publicationFile&v=. Zugriff am 12. November 2024.

[4] C. Richter, M. Herms, „BGH-Urteile zur Kundenanlage: Eine Straße macht noch kein öffentliches Netz“, [Online] verfügbar unter: https://www.prometheus-recht.de/bgh-urteile-zur-kundenanlage/. Zugriff am 12. November 2024.

[5] T. C. Hartmann, „Kundenanlage und geschlossenes Verteilernetz – Probleme aus der Praxis: TEIL 1 einer Serie“, [Online] verfügbar unter: https://www.bbh-blog.de/alle-themen/kundenanlage-und-geschlossenes-verteilernetz-probleme-aus-der-praxis-teil-1-einer-serie/. Zugriff am 12. November 2024.

[6] Deutscher Bundestag. „Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften“, [Online] verfügbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/17/060/1706072.pdf. Zugriff am 12. November 2024.

[7] Vattenfall, „Durchschnittlicher Stromverbrauch für 1-2-3-4-Personen-Haushalt“, [Online] verfügbar unter: https://www.vattenfall.de/infowelt-energie/strom-ratgeber/durchschnittlicher-stromverbrauch-im-1-2-3-4-personen-haushalt Zugriff am 4. Dezember 2024.

[8] Statista Research Department, „Durchschnittliche Fläche je Shopping-Center in Deutschland in den Jahren von 1965 bis 2023“, [Online] verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1238299/umfrage/verkaufsflaeche-je-shopping-center-in-deutschland/#:~:text=Die%20durchschnittliche%20Fl%C3%A4che%20der%20Shopping-Center%20in%20Deutschland%20hat,Jahr%201970%20waren%20es%20in%20etwa%2032.800%20Quadratmeter Zugriff am 9. Dezember 2024.

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Generationswechsel mit Modernisierung der digitalen Prozesse in der Schlosserei angehen

Generationswechsel mit Modernisierung der digitalen Prozesse in der Schlosserei angehen

Moderne Software

Die Karl-Ernst Koch Schlosserei + Metallbau GmbH, ein Traditionsbetrieb aus dem Jahr 1884 und seit 1984 in Familienbesitz, setzt nach einem erfolgreichen Generationswechsel im Jahr 2020 konsequent auf Digitalisierung. Unter der Leitung von Kristina Hans und Timm Drewes steht die Neuausrichtung digitaler Prozesse im Mittelpunkt, um das Unternehmen mit seinen 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zukunftsfähig aufzustellen. Die Einführung einer neuen Handwerker-ERP-Software markiert einen entscheidenden Schritt, um Effizienzpotenziale auszuschöpfen und die digitalen Strukturen zu modernisieren. Mit dieser Maßnahme stellt das Unternehmen die Weichen für eine innovative und nachhaltige Unternehmensführung in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt.

Moderne Software 2

Ausgangssituation

Die bisherigen digitalen Strukturen der Karl-Ernst Koch Schlosserei + Metallbau GmbH konnten den wachsenden Anforderungen eines modernen Betriebs nicht mehr gerecht werden. Der Generationswechsel im Jahr 2020 brachte einen klaren Fokus auf die Optimierung und Modernisierung digitaler Prozesse. Unter der Leitung von Kristina Hans wurden erste Schritte unternommen.

Dazu gehört etwa die Einführung einer KI-basierten Buchhaltungssoftware. Doch zentrale Anforderungen wie E-Rechnungen, ein effizientes Dokumentenmanagement oder eine einheitliche Projektverwaltung konnten mit den bestehenden Lösungen nicht erfüllt werden. Die veralteten Systeme bremsten den Betrieb. Sie waren nicht mehr zeitgemäß und unterstrichen den Bedarf nach einer umfassenden digitalen Neuausrichtung.


Zielsetzung

Das Ziel ist die Neuausrichtung und Optimierung zentraler Betriebsprozesse, um den Arbeitsalltag effizienter zu gestalten und die Mitarbeitenden bestmöglich zu unterstützen. Im Fokus stehen dabei klar strukturierte Abläufe, die Fehlerquellen reduzieren und den Workflow vereinfachen. Die Einführung moderner Lösungen, mittels der Einführung einer ERP-Software, soll insbesondere die digitale Projektabwicklung optimieren, die Zeiterfassung erleichtern und so wertvolle Zeit im Tagesgeschäft einsparen. Dabei wird besonderer Wert daraufgelegt, dass die neuen Prozesse den spezifischen Anforderungen der Metallbau- und Schlossereibranche gerecht werden und eine solide Grundlage für die zukünftige Unternehmensentwicklung schaffen.


Fragestellungen

Bei der Auswahl einer passenden Software standen für den Betrieb grundlegende Fragen im Mittelpunkt:

  • Wie lassen sich digitale Prozesse vereinfachen und effizienter gestalten?
  • Welche zentralen Betriebsabläufe müssen berücksichtigt werden, und welche Anforderungen ergeben sich daraus?
  • Wie kann die digitale Projektakte vollständig integriert und nachhaltig gepflegt werden?
  • Wie können ein Zeiterfassungssystem und ein Dokumentenmanagement effizient in die Arbeitsabläufe eingebunden werden?
  • Welcher Anbieter bietet eine branchenspezifische Lösung, die auch langfristig den Anforderungen gerecht wird?

Vorgehen

Frau Hans führte umfangreiche Recherchen zu verschiedenen ERP-Anbietern durch und nahm ferner von Mai bis Juli an einer dreiteiligen Workshop-Reihe zum Thema „Die ideale Handwerkersoftware finden und einführen“ vom Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg teil. Dieser Workshop gab neue Einblicke und führte zu einer Überprüfung der bisherigen Anbieter.

Ferner unterstützte ein Digitalisierungsberater der Handwerkskammer, um die Anforderungen zu schärfen und die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Am Ende fiel die Wahl auf die Software, die ursprünglich aus der Sanitär-Branche stammt, aber hervorragend an die Anforderungen der Metall- und Schlosserei-Branche angepasst werden kann.

Die Entscheidung für eine Cloudlösung (SaaS – Software as a Service) war für den Betrieb aufgrund ihrer Flexibilität und Zukunftsfähigkeit naheliegend.

Die Einführung der neuen Software ist nun für April 2025 geplant. Bis dahin müssen aber noch umfangreiche Vorarbeiten geleistet werden, darunter u.a. die Datenübertragung und Sicherstellung der Datensicherheit. In einer Übergangsphase wird parallel noch mit dem alten System gearbeitet, um einen reibungslosen Wechsel zu gewährleisten. Die Einrichtungskosten belaufen sich auf einen fünfstelligen Betrag, ergänzt durch die monatlichen Nutzungsgebühren für die Cloudlösung.


Projektziele & Projektergebnis

Die Umstellung auf eine neue Softwarelösung ist ein zentraler Schritt, um die Karl-Ernst Koch Schlosserei + Metallbau GmbH in die nächste Generation zu führen und digital zukunftsfähig zu machen. Ziel ist es, zentrale Prozesse effizienter zu gestalten, Fehlerquellen zu reduzieren und den Mitarbeitenden eine moderne, intuitive Arbeitsumgebung zu bieten. Mit der Einführung digitaler Werkzeuge wie einer zentralen Projektakte, eines Dokumentenmanagementsystems und einer integrierten Zeiterfassung sollen die täglichen Arbeitsabläufe erheblich optimiert werden. Diese Neuausrichtung legt die Grundlage für eine nachhaltige und flexible Weiterentwicklung des Betriebs und verbindet die Werte eines traditionsreichen Handwerksunternehmens mit den Anforderungen der digitalen Zukunft.


Sie haben Fragen zu dieser Neuausrichtung mitsamt der digitalen Transformation?

Dann freuen wir uns über eine Nachricht an:

Mittelstand-Digital Zentrum HamburgHandwerk4.0@hwk-hamburg.de

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Vorbereitung zur geplanten Übernahme und digitalen Neuausrichtung einer Möbelmanufaktur

Vorbereitung zur geplanten Übernahme und digitalen Neuausrichtung einer Möbelmanufaktur

Im Rahmen der geplanten Übernahme einer Möbelmanufaktur bereitet sich Herr Papendieck darauf vor, den Betrieb sowohl strukturell als auch digital zu modernisieren. Sein besonderes Augenmerk bei dieser Transformation liegt dabei auf der aktiven Einbindung der Mitarbeitenden, um den Handwerksbetrieb zukunftsfähig zu machen und eine nachhaltige, kundenorientierte Ausrichtung in der Manufaktur zu fördern.

Transformation Papendieck

Ausgangssituation und Zielsetzung

Noch vor der eigentlichen Übernahme legt Herr Papendieck, der über umfangreiche Erfahrung in Unternehmensstrategie und digitalem Marketing verfügt, alle notwendigen Vorkehrungen für eine erfolgreiche Betriebsübernahme und den anschließenden digitalen Wandel. Das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg schafft derzeit die Grundlagen, um eine nahtlose Transformation umzusetzen. Diese Transformation verbessert sowohl die internen Prozesse als auch die Kundenbetreuung nachhaltig.

Herr Papendieck plant, den Betrieb mit einer geeigneten Handwerkersoftware auszustatten, die möglichst viele Unternehmensprozesse abdeckt und die Transparenz sowie Effizienz steigert. Ein wesentlicher Fokus liegt auf der Auswahl eines Systems. Neben einem deutlichen Kundenfokus soll es alle Arbeitsschritte abbilden und gleichzeitig die Akzeptanz der Mitarbeitenden für die neuen digitalen Abläufe sichern.


Zielsetzung der digitalen Transformation

Durch die bevorstehenden Änderungen soll die Möbelmanufaktur nicht nur betriebliche Effizienzgewinne erzielen, sondern auch eine transparente und nachvollziehbare Informationsverarbeitung für Kunden und Mitarbeitende gewährleisten. Herr Papendieck verfolgt das Ziel, die Manufaktur mithilfe der Digitalisierung zukunftsorientiert aufzustellen und die handwerkliche Qualität durch effizientere Prozesse und moderne Technologien zu unterstützen.


Fragestellungen

  • Welche Softwarelösungen decken die Anforderungen des Unternehmens für das Gewerk des Möbelbaus in Bezug auf Prozessabdeckung und Transparenz am besten ab?
  • Wie können die Mitarbeitenden des Handwerksbetriebs bestmöglich in den Transformationsprozess eingebunden werden, um Akzeptanz und langfristigen Erfolg zu gewährleisten?
  • Welche Schritte und Kriterien sind notwendig, um eine erfolgreiche Implementierung der Software und eine Optimierung der Kundenserviceprozesse im hochwertigen Möbelbau sicherzustellen?

Vorgehen

Um die Herausforderungen anzugehen, nahm Herr Papendieck an einer dreiteiligen Workshop Reihe des MDZ Hamburg teil, die im Zeitraum von Mai bis Juli 2024 stattfand. In diesen Workshops wurden mit Experten und anderen Handwerksbetrieben konkrete Implementierungsschritte und Auswahlkriterien für die Handwerkersoftware erarbeitet. Wesentliche Kriterien für die Softwarelösung waren eine benutzerfreundliche Bedienung sowie die Erweiterbarkeit durch zusätzliche Module, wie beispielsweise ein CRM-System.

Ebenso ging es um Fragestellungen und den Austausch der Mitarbeitereinbindung bei digitalen Vorhaben. Gerade in einem Handwerksunternehmen, mit einem bestehenden Team und überwiegend analogen Prozessen, stellt dies eine Herausforderung dar. Zusätzlich unterstützte das MDZ Hamburg Herrn Papendieck in weiteren Fragen zur Prozessoptimierung und half ihm, das Netzwerk der Mittelstand-Digital Zentren für den Austausch und Wissenstransfer zu nutzen.


Projektziele & Projektergebnis

Herr Papendieck verfolgt das Ziel, die betrieblichen Abläufe nach der Übernahme durch eine digitale Infrastruktur zu optimieren, die den Mitarbeitenden Transparenz bietet, den Kundenservice verbessert und langfristig eine flexible, kundenorientierte Ausrichtung des Betriebs ermöglicht. Die Einbindung der Mitarbeitenden und deren positive Einstellung zur Digitalisierung bilden dabei die Basis für weitere Schritte.

Langfristig strebt Herr Papendieck eine digitale Infrastruktur an, die flexibel ist und dem Betrieb erlaubt, auf Kundenbedürfnisse effizienter einzugehen und interne Prozesse fortlaufend zu optimieren.


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Wie Resilienz gemeinsam gelingt

Wie Resilienz gemeinsam gelingt

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Resilienz im Betrieb zu verankern, bietet enorme Chancen, denn stürmische Zeiten gibt es im Handwerk genug. Wie ein Baum, dessen Äste im Sturm durcheinandergewirbelt und gebogen werden, geraten Betriebe sowie Teams ab und zu an ihre Belastungsgrenzen. Bäume und Menschen können sich aber in Regenerationszeiten erholen.

Wir Menschen haben dem Baum gegenüber einen klaren Vorteil: Wir können zwischen den Stürmen dazu lernen und uns auf neue Herausforderungen einstellen. Wir können resilienter werden. Dies alles braucht eine wirksame Haltung, Veränderungsbereitschaft und entsprechende Tools. Es muss nicht soweit kommen, dass Belastungsgrenzen gesprengt werden. Zwei Handwerksbetriebe sorgen vor!

Resilienz gelingt gemeinsam

Ausgangssituation und Fragestellung:

2 Betriebe, 1 Ziel

Die Handwerksbetriebe Eschenburg Elektro-Kälte-Klima GmbH sowie DHW Schultz & Sohn GmbH kooperieren seit Langem auf Führungsebene. Beide Betriebe haben eine stark mitarbeiterorientierte Haltung. Sie sind daran interessiert, ihren Mitarbeitenden Raum für Themen zu geben, die in den Betrieben für Stress, Unruhe oder Frust sorgen. Gleichzeitig wollen sie sichtbar machen und anerkennen, welche Ressourcen im Team stecken.

Beide Betriebe sind stark gewachsen und bemerken Unruhe in der Mitarbeiterschaft. In der Vergangenheit gab es Umstrukturierungen, Veränderungen sowie mehrere Digitalisierungsprozesse innerhalb kürzerer Zeiträume ohne „Verschnaufpausen“. Sie wenden sich an das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg mit dem Ziel, dem Thema Resilienz Raum zu geben, Störfaktoren und Konflikte aufzudecken, Lösungen zu finden und voneinander zu lernen. Ferner gibt es auf der Führungsebene Rollenklärungsbedarf.

Ihr Ziel: Zufriedene Mitarbeiter, wirksame, digitale Prozesse und eine höhere Resilienz. Darüber hinaus wollen sie voneinander lernen, indem sie die Ergebnisse firmenübergreifend diskutieren.


Vorgehen

Das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg unterstützt beide Betriebe durch Workshop-Formate mit Teams und Führungskräften und führt Ergebnisse zusammen. Stressoren im Rahmen von Digitalisierung stehen dabei im Vordergrund. Mitarbeitende dürfen Dampf ablassen – alle Stressoren kommen auf den Tisch.

Gleichzeitig schauen sie darauf, welche Prozesse gut laufen und welche die Erfolgsfaktoren sind. Gehört und verstanden werden steht dabei genauso im Vordergrund wie Übernahme von Verantwortung. Parallel werden Lösungen erarbeitet, unter anderem zu Fragen der Haltung, Kommunikation und Strukturen, Prozesse sowie Rollen.


Was sind die zentralen Erkenntnisse zum Projekt?

Auch wenn es schnell gehen soll – gehen Sie Schritt für Schritt und machen Sie bewusste Reflexionspausen. Die Regenerationsphase ist ein wesentlicher Bestandteil der Resilienz. Dies trifft insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu, die nach vielen Veränderungen eine Phase der Reflexion, Anpassung, Nachjustierung und Erholung brauchen, um langfristig widerstandsfähig zu bleiben. Diese Phase muss nicht lang sein, sollte aber bewusst eingeplant werden, selbst wenn die nächsten Veränderungen bereits in der Pipeline sind. Darüber hinaus ist ein Austausch über Firmengrenzen hinweg sehr wertvoll.


Sie möchten ebenso die Resilienz Ihres Unternehmens stärken? Dann freuen wir uns über eine E-Mail: 

Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg
Christine Mish
Handwerk4.0@hwk-hamburg.de

Das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg gehört zu <a href=“https://www.mittelstand-digital.de/MD/Navigation/DE/Home/home.html“>Mittelstand-Digital</a>. Mit dem Mittelstand-Digital Netzwerk unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk. Kommen Sie gern auf <a href=“https://digitalzentrum-hamburg.de/mittelstand-digital-zentrum-hamburg-3/“>uns</a> zu, wir bringen Sie Digital Voraus!

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KI in der Angebotserstellung bei Event-Agenturen

KI in der Angebotserstellung bei Event-Agenturen

Ausgangslage

Die Kontrapunkt Agentur für Kommunikation GmbH ist eine inhabergeführte Messe- und Eventagentur und beschäftigt rund ein Dutzend Angestellte. Die Agentur besteht seit 1989 und ist fest in Hamburg verwurzelt: seit 2008 betreut sie u.a. den in Hamburg vertretenen, international bekannten Flugzeughersteller Airbus.

Herausforderung

Im Agenturmarkt ist es – wie auch in anderen Gewerben – üblich, dem interessierten Kunden unverbindliche Angebote zu unterbreiten. Ein abgelehntes Angebot hat keinen Auftrag zufolge und kann dem Kunden somit logischerweise nicht in Rechnung gestellt werden, hat aber trotzdem Zeit zur Erstellung in Anspruch genommen und somit dem Unternehmen Geld gekostet. Da auf (kostenlose) Angebote aufgrund der Marktstruktur nicht verzichtet werden kann, besteht das Ziel darin, hochwertige Angebote zu möglichst geringen zeitlichen und monetären Kosten zu erstellen. 

Zur Angebotserstellung müssen Bilder von Bühnen und Texte zum Gesamtkonzept der Vorstellung erzeugt werden. Um den Aufwand zu verringern, sollen KI-Bildgeneratoren und Large Language Models (LLM) zum Einsatz kommen. LLMs sollen eingesetzt werden, um schnell Konzepte zu erstellen und Ideen für neue Konzepte zu generieren. KI-Bildgeneratoren sollen eingesetzt werden, um neue Ideen für Bühnen zu entwickeln und den Graphikern die eigenen Ideen schneller zu vermitteln.


Anwendungsbeispiel für Prompt Engineering: Stable Diffusion (Deep Learning Text-zu-Bild-Generator). 

Cute Cats (Bild 1) – Cute Grey Cat (Bild 2) – Cute Grey Cat, acrylic painting (Bild 3) – (Cute:1.5) Grey Cat, acrylic painting (Bild 4)

KI in der Angebotserstellung 1 KI in der Angebotserstellung 2 KI und Angebotserstellung KI in der Angebotserstellung 4

Vorgehensweise

Im Rahmen der im Mittelstand Digital Zentrum Hamburg regelmäßig angebotenen KI-Sprechstunde schilderte einer der Geschäftsführer der Kontrapunkt GmbH dem KI-Trainer des MDZ Hamburg die oben beschriebene Sachlage. Da es sich bei der geschilderten Lage um eine komplexere Aufgabe handelt, vereinbarten beide Parteien, die Herausforderung gemeinsam im Rahmen eines „Digital-Konkret-Plus“ anzugehen.


Ergebnisse

Das Projekt lässt sich grob in drei Phasen/Meilensteine aufteilen. Im Sinne des einfacheren Verständnisses werden die Ergebnisse für jede Phase getrennt vorgestellt.

Phase 1

Einer der Geschäftsführer der Kontrapunkt Agentur und der KI-Trainer der TUHH arbeiteten zunächst gemeinsam die zu beantwortende Unternehmensfrage heraus:

Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, um bereits existierende KI-Programme (GPT- und Render-Programme) zur effektiven Erstellung von Leistungsbeschreibungen (Konzepten und Grafische Umsetzungen) für Standardanfragen im Eventagentur-Bereich zu erstellen?

Basierend auf den Ausführungen des Geschäftsführers kategorisierte der KI-Trainer die Anforderungen in zwei Kategorien:

  • Muss
    • Bühnen generieren können
    • Präzise sein
    • Rechte an Bildern bereitstellen
    • Nachbearbeitung ermöglichen
  • Soll
    • Vorlagen bearbeiten können
    • Exklusive Nutzung der Bilder ermöglichen

Im nächsten Schritt führte der KI-Trainer eine explorative Analyse durch, um sich mit den technischen Möglichkeiten im Bereich der LLM und insbesondere der Bildgeneratoren vertraut zu machen. In einem halbtägigen Workshop mit beiden Geschäftsführern und dem KI-Trainer wurden die gewonnen Grundlagenerkenntnisse zu Bildgeneratoren präsentiert und basierend auf diesen Einblicken gemeinsam eine präzisere Anforderungsübersicht erarbeitet:

  • Muss
    • Bühnen generieren können
    • Eigene Modelle spezifizieren können
    • Image to Image beherrschen
    • Rechte an Bildern bereitstellen
    • Nachbearbeitung ermöglichen
  • Soll
    • Inpainting ermöglichen
    • Outpainting ermöglichen
    • Exklusive Nutzung der Bilder ermöglichen

Darüber hinaus wurde eine Aussicht auf die zukünftige Entwicklung von 3D-Modellen präsentiert sowie eine erste Abschätzung des zu erwartenden Ergebnisses vorgestellt. Das Ziel, den Aufwand zu verringern, konnte nicht mit Sicherheit in Aussicht gestellt
werden. Das Ziel, neue Ideen zu generieren, nahmen hingegen allen Beteiligten als erreichbar wahr.

Phase 2

Im nächsten Schritt wurde ein ganztägiger Workshop zum Prompt Engineering für LLMs und Bildgeneratoren abgehalten. Der Workshop gliederte sich in zwei Teile: den LLM- und den Rendering-Software-Teil. Im LLM-Teil wurden mithilfe frei zugänglicher LLM-Software verschiedene Prompting-Strategien erprobt.

Insbesondere Single Shot Prompting und das Reverse Prompt Engineering standen dabei im Mittelpunkt. Beim Single-Shot Prompting wird – wie im vorliegenden Fall – dem Textgenerator ein Beispielkonzept gezeigt, um anschließend auf Grundlage dieses Beispiels neue Texte bzw. Konzepte zu generieren. Beim Reverse Prompt Engineering geben Probanden einen Text – z.B. eine Kurzgeschichte – in den Prompt ein. Sie lassen sich von der Software mitteilen, welche Prompts diesen Text bzw. diese Kurzgeschichte erzeugen würde, um anschließend in einem neuen Chat-Fenster mit diesen Prompts dieselbe Kurzgeschichte so gut wie möglich zu rekreieren.

Eine Teilnehmerin war besonders von den Möglichkeiten angetan, die selbst Zero-Shot-Prompting bot: In wenigen Sekunden konnte das LLM ein Dutzend Claims generieren, die der erfahrenen und bis dahin eher skeptisch eingestellten Marketingexpertin zusagten.

Im zweiten Teil des Workshops wurden dann Prompting-Strategien für Rendering-Programme vorgestellt und gleichzeitig von den Teilnehmern an ihren Laptops ausprobiert. Die Ergebnisse waren erwartungsgemäß sehr durchwachsen. Hier zeigte sich, wie wichtig Erfahrung im Umgang mit Bildgeneratoren ist.

Der Geschäftsführer konnte am Ende des Workshops die besten Ergebnisse vorweisen. Er hatte sich von Anfang an mit Rendering-Programmen beschäftigt und aufgrund nicht zufriedenstellender Ergebnisse Unterstützung beim MDZ Hamburg ersucht. Andererseits wirkten seine Angestellten aufgrund der steilen Lernkurve teilweise leicht überwältigt. Noch während des Workshops entschied der in diesem Projekt federführende Geschäftsführer, unverzüglich eine zahlungspflichte Version eines Bildgenerators anzuschaffen. Er möchte den Einsatz bildgenerierender Software über den Workshop hinaus auf hohem Niveau sicherstellen.

Phase 3

Ungefähr ein Jahr nach dem ersten Workshop wurde ein zweiter Workshop abgehalten. Ziel war es, die erlernten und bereits erprobten Strategien weiter zu verfeinern. Die Mitarbeiter hatten in der Zwischenzeit bereits erfolgreich sowohl text- als auch bildgenerierende KI eingesetzt. Die Textgeneratoren erfreuten sich klar größerer Beliebtheit, wenn auch eher im Bereich Search Engine Optimization (SEO) und Stilanpassung von Marketing-Texten für Social Media.

Das Ziel des Workshops bestand darin, eine reale, akut anliegende Anfrage eines interessierten Unternehmens unter Zuhilfenahme generativer KI zu bearbeiten. Das Ziel wurde erreicht: Mithilfe eines bekannten LLM-Programms gelang es, in allen Bereichen eine Vielzahl von Konzeptvorschlägen zu generieren. Einer dieser Konzeptvorschläge inspirierte einen der Anwesenden zu einer auf dem Vorschlag aufbauenden Idee, die zum Kernbestandteil des Konzepts wurde. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie Textgeneratoren sinnvoll einsetzbar sind: nicht als Texterstellungsprogramm, dem man nur die richtigen Befehle geben muss, um das fertige Produkt auszugeben, sondern als Sparringspartner, auf dessen Input man eigenständig aufbaut und das Ergebnis dann ggf. wieder zurückspielt

Des Weiteren wurden mithilfe eines Bildgenerators mehrere Bilder erstellt, die einzelne Aspekte des Konzepts anschaulich darstellten. Keines dieser Bilder war auf dem Niveau, als dass man es einem fertigen Angebot hätte beilegen können. Aber die Bilder waren sehr wohl geeignet, einem Kunden in einem Vorgespräch eine erste Idee anschaulich zu vermitteln oder anschließend einem Grafiker schneller seine Aufgabe erklären zu können.

Im Verlauf dieses zweiten Workshops konnten mehrere teils schon bekannte, aber noch nicht vollständig verinnerlichte Prinzipien anhand eines echten Anwendungsfalls vermittelt werden:

  • Es ist entscheidend, einem Textgenerator das Problem so zu erklären, dass auch ein unerfahrener Mensch das Problem verstehen kann
  • Es sollten nicht zu viele Informationen auf einmal vermittelt werden, um die Kreativität des Programms nichts zu ersticken. Informationen können anschließend immer noch nachgereicht werden
  • Die Aufforderung „sei kreativ“ funktioniert bei Textgeneratoren im Gegensatz zu Menschen sehr gut
  • Explizites Ausformulieren der Aufgabenstellung verbessert die Ergebnisse nennenswert
  • Es sollten möglichst immer Beispiele zur Aufgabenlösung gegeben werden. Insbesondere ist zu begründen, warum diese Beispiellösungen im aktuellen Fall nicht umsetzbar oder wünschenswert sind.
  • Das Äquivalent zum iterativen Prompten („Chatten“) ist bei bildgerierender KI das Einfügen generierter Bilder in die Image-to-Image-Funktion

Die Reaktion der Workshop-Teilnehmer war im Tenor überwiegend positiv. Sie stellten aber auch klar, wo die Grenzen generativer KI liegen:

  • Textgeneratoren können vollkommen neue Ideen generieren. Auf diese wären Mitarbeitende nur nach langem gemeinsamem Brainstorming oder womöglich überhaupt nicht gekommen
  • Das individuelle Arbeiten mit Textgeneratoren verhindert das Konvergieren zu einer gemeinsamen Lösung, weshalb sie innerhalb einer Brainstorming-Session nur bedingt nützlich sind
  • Aus demselben Grund sind Textgeneratoren wiederum ausgesprochen mächtig zur Vorbereitung zum gemeinsamen Brainstorming. Denn jeder kann sich selbstständig vorbereiten und dann mit unterschiedlichen Ideen erscheinen
  • Der Einsatz von Textgeneratoren im aktiven Brainstorming-Prozess bremst den kreativen Prozess aus. LLMs sollten daher nicht in einer kreativen Phase eingesetzt werden, sondern im Anschluss
  • Textgeneratoren haben eine starke selbstdisziplinierende Wirkung, da sie Mitarbeitende bewegen, erste unscharfe Ideen verständlich niederzuschreiben
  • Bildgenerierende KI ist nützlich für grobe Konzepte, wird im Finetuning aber schnell zu zeitintensiv

Das Projekt kann damit als erfolgreich abgeschlossen werden.

Laden Sie zur Vertiefung die dem Workshop zugrundeliegende Präsentation hier runter.

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